Dre Nordlandreise des Deutschen Kaiserpaares im Jahre 1894.
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aber gerade dadurch wurden Vergleiche und lebhafte Gespräche wachgerufen. Das war natürlich; denn die Bewunderung für das Genie Richard Wagner's beeinflußt das Urtheil über die Schöpfungen vorangegangener Heroen, und erst spätere Generationen werden den Ausgleich finden, welchen Goethe zu feinen Lebzeiten schon in Bezug auf Schiller fand. Seine Meinung war: die Leute sollten, statt zu streiten, wer von beiden der Größere wäre, sich freuen, daß die Welt zwei solcher „Kerle" besäße.
Noch einer Besonderheit der Tafel an Bord der „Hohenzollern" muß gedacht werden. Wenn das eigentliche Mahl beendet war, so zog sich Ihre Majestät zurück, begleitet von dem engeren Gefolge. Der Kaiser verweilte noch länger im Gespräch und begab sich danach meist auf Deck zur Musik.
Des Abends verlängerte sich das Concert zuweilen über das Programm hinaus. Der Kapellmeister mußte stets auf dem gui vivs sein; denn es war gar nichts Seltenes, daß der Kaiser unerwartet irgend ein nicht auf dem Programm befindliches Musikstück zu spielen befahl. Von Zeit zu Zeit durfte sich auch der zahlreiche Sängerchor der Matrosen hören lassen. Dieselben standen unter einem aus ihrer Mitte hervorgegangenen Dirigenten und sangen ihre deutschen Volkslieder unbefangen und mit offenen Kehlen. Von tiefgehender Wirkung war es, wenn Chor und Capelle vereint, im Dämmern der Nacht, ein altniederländisches Lied anstimmten, einen choral-artigen Lobgesang, voller Glaubensfreudigkeit, der nun weit hinausschallte über die schweigenden Fluthen des Fjord und an den dunklen Bergwänden erstarb.
IV.
Das Reiseprogramm war so eingerichtet worden, daß die Kaiserin einige der schönsten Theile des südlichen Norwegens, bis nach Trondhjem hinauf, kennen lernte. Aber zwischen einem Programm und seiner Ausführung liegt eine weite Kluft. Zu ihrer Ueberbrückung müssen viele Bedingungen erfüllt sein, und glücklicher Weise waren alle erfüllt. In erster Linie fühlte sich die Kaiserin von der Großartigkeit der landschaftlichen Bilder so angezogen und äußerte sich auch in diesem Sinne, daß die Reise gleich von Anfang an die rechte Stimmung erhielt. Die hohe Frau unterzog sich Weit größeren Anstrengungen, als beabsichtigt war, so daß die Landausslüge denselben rüstigen Fortgang nahmen, als hätte sie der Kaiser allein mit seinem Gefolge unternommen. Dazu kam, daß das Wetter uns nicht Ein Mal in Stich ließ; dafür mußte freilich oft große Hitze und der Staub aus den fahrbaren Straßen in den Kauf genommen werden.
Bekanntlich werden die meisten Fahrten in Norwegen auf zweirädrigen Karren ausgesührt, die je nach ihrem Bau Karriols oder Stuhlkarren heißen und von einem Pony gezogen werden. Der Kaiser fährt mit Vorliebe in einem Karriol; ein solches wird stets an Bord mitgesührt; es ist in Bergen erbaut, von gefälliger Eleganz und hatte bereits auf drei Reisen gedient. Indessen schien ein karriolartiges Gefährt nicht geeignet für die Kaiserin. Es wurde deshalb ein Wagen aus dem Inventar des Marstalls ausgesucht, der sich bereits auf dem Manöver-Terrain bewährt hatte. Ob das Gefährt