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Deutsche Rundschau.
VII.
Am folgenden Tage sollten sechsnndsechzig Kilometer zurückgelegt werden, so groß ist die Entfernung von Ehde bis Stalheim. Dazwischen, etwa halbwegs, liegt die Stadt Voß oder Vossevangen in einem Thal, welches mehrere langerstreckte Seen besitzt und schließlich in den Bolstad-Fjord übergeht. Derselbe mündet in das von der Osterö (Insel) beherrschte Seebecken, an dessen Ufern auch Bergen liegt.
Die Abwesenheit von der „Hohenzollern" war auf drei Tage berechnet. Unter den obwaltenden Umständen konnte dies nicht geschehen ohne Mitnahme von entsprechendem Gepäck und Dienerschaft; und es ist begreiflich, daß die Landreise einem friedlichen Kriegszug glich. Auch wurde in getrennten Colonnen marschirt.
Den Zug eröffnete die Kaiserin mit der engeren Begleitung. Die hohe Frau kam kurz nach sieben Uhr früh an Land; eines unserer Torpedo- Boote, die den Verkehr mit sernliegenden Telegraphen-Stationen vermittelten, diente als Landungsbrücke. Was an Neugierigen vorhanden war, das hatte sich längst versammelt. Bereits um fünf Uhr, wo ich an Land gegangen war, konnte ich eine gewisse Spannung wahrnehmen. Denn eine Kaiserin ans norwegischem Boden, in dem Oertchen eines verlorenen Fjords, das hatte noch Niemand gesehen! Und nun der Wagen mit einer Krone und einer Uhr aus dem Rücksitz, und der große Lakai, der auf dem Bock Platz nahm! So etwas mußte gesehen werden. Und dann erst das freudige Staunen, als die Kaiserin nun wirklich erschien, mit leutseliger Milde grüßte, den Kindern die dargebrachten Blumen abnahm, ihnen die Hand aufs Köpfchen legte und sie in fließendem Norwegisch anredete.
Das Geleite Ihrer Majestät bestand nur aus so vielen Wagen, als dringend erfordert war. Die Trockenheit hatte ganz Norwegen ergriffen, und überall waren die Straßen staubig. Deshalb hielten sich die Karriols mit den Herren des Gefolges in weiter Entfernung, und erfolgte der Aufbruch derselben erst eine halbe Stunde später.
Gegen neun Uhr, als die große Karawane bereits rollte, setzte der Kaiser vom Schiff ab und überschritt Wenige Minuten später die Landungsbrücke. Seine Majestät bestieg dann das Karriol, um sich von Neuem in ungestörter Ruhe der überaus lieblichen Landschaft zu erfreuen, durch welche der Weg führt. In raschem Trabe ging die Fahrt fast eben dahin, längs des Graben-Sees, der zwischen grünen Hängen eingebettet ist. Dann kam die starke Steigung des Terraffensprungs, welchen der Weg in Serpentinen überwindet. Hier mußte im Schritt gefahren werden. Ich verließ deshalb mein Karriol und ging neben demjenigen Seiner Majestät. Weithin herrschte Stille, nur sanft belebt durch das Rauschen der Cascade, in welcher der Fluß zu der grünenden Tiefe niedergeht. Diese Abgeschiedenheit bildete einen merkwürdigen Gegensatz zu den Bedingungen, welche sonst dem Leben eines Monarchen das Gepräge geben. Hier konnte der Kaiser einmal sich selbst lebeu, nicht wie sonst Anderen. Schon Helmholtz hat es ausgesprochen, wie sehr die Freude, welche durch das Betrachten einer schönen Landschaft in uns wach-