372
Deutsche Rundschau.
zelten wurden so gelegt, daß der Speisesaal sür die hohen Reisenden und deren Gefolge reservirt bleiben konnte, ohne daß die übrigen Hotelgäste Unbequemlichkeit erfuhren. Dadurch war jeder berechtigten Klage in dem fremden Lande vorgebeugt.
Die Veranda und einige kleinere Salons dienten als Versammlungspunkte, vornehmlich nach der Tafel. Ueber die Zeit war so disponirt worden, daß ein Tag sür das Verweilen in und um Stalheim frei blieb, daß also die Ankunft am Tage zuvor, die Abreise am Tage nachher stattsand. Die Majestäten wollten den Aufenthalt genießen, dem Augenblicke anheimgebend, wie er verbracht werden sollte.
So verfloß denn der neunte Juli, frei von der Tyrannei des Programms, in schöner Weise. Vormittags unternahmen die Majestäten einen Spaziergang aus der Straße, welche über Stalheims Kleven (so heißt der Terrassensprung) zu der unteren Thalstufe führt. Von geeigneten Punkten wurden die beiden Wasserfälle betrachtet, welche durch den Abfluß des Opheims-Vand und durch den Bach eines linken Seitenthals gebildet werden; die strahlende Sonne entlockte ihnen die Farbenpracht hin- und herwogender Regenbogen.
Auch am Nachmittag wünschte der Kaiser einen Spaziergang mit der Kaiserin zu unternehmen und schlug einen Weg ein, welcher durch Wald eben gegen Opheimssee führt. Es waren mehrere Stunden dafür erforderlich, und am fernsten Punkt ruhten die Majestäten auf einigen Steinblöcken aus; umher saß die Begleitung. Weder Wagen noch Dienerschaft, noch Führer waren erfordert. Schlichter konnte der Ausflug des Kaiserpaares nicht verlaufen.
Der Vormittag des folgenden Tages wurde auf der Veranda verbracht. Der Kaiser unterhielt sich eingehend mit den wenigen Herren, welche anwesend waren, und äußerte sich zu uns über verschiedene Punkte von Bedeutung, unter Anderem über die Folgen einer Erweiterung des Canalsystems in Deutschland, über staatliche Fürsorge bezüglich der unteren Volksklassen, über den Wandel in den Parlamenten, über die planvolle Ausnutzung einer langen Friedensperiode.
VIII.
Wenige Stunden später geschah der Aufbruch nach Gudvangen, wo das Naeröthal in den gleichnamigen Fjord mündet.
Wegen der Steilheit der Straße und ihrer vielen Kehren — der Vergleich mit der Straße vom Malojapaß ins Vergebt liegt nahe — blieb die Benutzung der Wagen zunächst ausgeschlossen. Sie waren am Fuß von Stalheims Kleven aufgestellt, und ich malte mir bereits aus, wie schön die Fahrt durch das Naeröthal sich gestalten würde. Denn die untere Thalstufe ist nur mäßig geneigt, die Straße sicher, und nach dem Marsch in Hitze und Staub mußte alsdann der Blick aufwärts zu den hohen Gesteinswänden, und abwärts zu den Wasserfällen des Fjords, über das grüne Buschwerk fort, vom Wagen aus besonderes Vergnügen bereiten.
Als wir indessen unten angekommen waren, bestieg der Kaiser das Karriol nicht, sondern ging mit der Kaiserin weiter, dem Zuge voraus. Die noch