Die Nordlandreife des Deutschen Karserpaares im Jahre 1894.
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weiliges Aussehen erhalten, welches oft noch gesteigert wird durch die Grad- linigkeit der Straßen und ihre schachbrettartige Anordnung. Ein Beispiel dafür bietet Trondhjem, aber gleichzeitig entschädigt es dadurch, daß es in seinem Dom ein Bauwerk von seltener Schönheit und historischer Bedeutung besitzt. Kein zweites existirt in Norwegen, das ihm auch nur annähernd an die Seite gestellt werden könnte. Das Land hat nur eine Pflicht gegen sich selbst geübt, wenn es den bereits zerfallenen Bau wieder aus seinen Trümmern entstehen ließ.
Der Kaiser hat bei jeder Anwesenheit in Trondhjem den Dom besucht und der Bauverwaltung jedes Mal eine bedeutende Summe gespendet. Man hat das Geld vorläufig unberührt gelassen, weil die schöne Absicht besteht, daraus einen besonderen Schmuck für die Kirche herzustellen und dadurch gleichzeitig das Andenken an den hohen Geber zu verewigen.
Dieses Mal galt es vornehmlich, der Kaiserin den Dom zu zeigen. Sowohl der Leiter des Baucomitss, wie auch der Dombaumeister führten dieselbe durch die geweihten Räume. Der Besuch währte lange, und der Kaiser ließ sich eingehenden Vortrag über den Fortgang des Baues halten.
Vom Dom aus begaben sich die Majestäten auss Land, in die Villa des Deutschen Konsuls Herrn Jensen, wo das Frühstück eingenommen wurde. Die Villa ist im Stil eines norwegischen Bauernhauses, einer sogenannten Rog-Stue, erbaut und macht einen ebenso originellen wie behaglichen Eindruck. Ein ähnliches Haus hat der Kaiser in seinen Romintener Jagdgründen errichten lassen.
Die Rückkehr an Bord erfolgte um drei Uhr. Es blieben nur noch wenige Stunden bis zu der Abreise der Kaiserin in die Heimath.
Geleitet von Seiner Majestät erschien die hohe Frau gegen sieben Uhr auf dem Bahnhof von Trondhjem, woselbst sich das Gefolge bereits versammelt hatte, und mit dem siebenten Schlage der Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Er brachte unsere Kaiserin nach Christiania, wo S. M. Schiff „Stein" bereit lag für die Fahrt nach Kiel.
IX.
Trondhjem sollte der nördlichste Punkt der Reise bleiben. Der Kaiser hatte den Polarkreis bereits auf drei vorangegangenen Fahrten durchschnitten, das eigentliche Nordland bot ihm nichts Neues mehr, und aus die Dauer bleibt der Besuch des südlichen Norwegens doch schöner, als der des nördlichen.
Das Programm des zweiten Theiles der Reise zeichnete sich durch Einfachheit aus. Der Kaiser wollte nur den Geiranger- und den Nord-Fjord besuchen.
Der Geiranger-Fjord erfreut sich des Rufes besonderer Großartigkeit, weil seine User sehr steil und hoch sind, und weil einige Wasserfälle — in der That von überraschender Pracht — darüber Hinstürzen. Noch interessanter jedoch ist es, in dem Oertchen Merok an Land zu gehen und der Straße zu folgen. Sie darf verglichen werden mit den Heerstraßen der Schweiz, etwa mit der von Andermatt über die Furca in das Wallis, weil sie auch hoch über das Gebirge führt und eine wichtige Verbindung zwischen dem Geiranger-Fjord und dem Gudbrands-Thal, mit anderen Worten, zwischen dem Westen und Osten Norwegens herstellt.