376
Deutsche Rundschau.
Wir gingen am achtzehnten Juli von Trondhjem aus in See und trafen nach vierzehnstündiger Fahrt am späten Abend vor Merok ein. In der Dämmerung und dem düsteren Wetter machte der Geiranger-Fjord einen phantastischen Eindruck. Der Kaiser gestattete mir, am folgenden Morgen zur Recognoscirung an Land zu gehen. Ich dehnte meinen Marsch auf der erwähnten Straße bis zu dem Djub-Vand aus, einem Hochgebirgs-See in 1000 m Höhe, und erhielt, trotz einsetzenden Regenwetters, so großartige Eindrücke, daß es mir geboten erschien, Seiner Majestät diesen Ausflug zu empfehlen.
Zwei Tage danach unternahm der Kaiser diese Fahrt nach dem Djub-Vand. Was an Ponies weit und breit vorhanden war, das wurde mobil gemacht. Das Gros der Expedition brach zuerst auf, dann folgte der Kaiser und legte den Weg in seinem Karriol zurück. Auf siebzehn Kilometer findet eine Steigung von 1030 m statt; es wurden zweieinehalbe Stunde dafür beansprucht.
In dieser schnellen Erhebung bestand das Interessante des Ausflugs. Denn gerade so wie bei einer Hochgebirgs-Vesteigung wurden dabei die verschiedenen Vegetations-Zonen durcheilt, welche zwischen dem Meeresspiegel und der Schneegrenze liegen. Merok selbst, das sehr geschützt ist und so heiße Sommertage ausweist, wie Deutschland, besitzt noch Obstgärten und selbstverständlich auch Culturen von Gerste, Hafer und Kartoffeln.
Unmittelbar hinter der kleinen Häusergruppe steigt der Weg aus, längs der Wände des Kessels, in welchen verschiedene Flüsse als Wasserfälle niedergehen. Man gewinnt erst in 300 in Höhe eine Thalstufe, das Fly-Dal, und in 400 in Höhe eine zweite, weiter erstreckte, das Oplandske-Dal, d. h. das Oberland. Hier sieht es aus, wie in der Mattenregion der Alpen, und Hobes Gebirge umschließt ringsum diese grüne Mulde. Im Rücken hat man die schneetragenden Berge des Geiranger-Fjords, dessen Spiegel bereits verschwunden ist; und in der aussteigenden Fahrt-Richtung dehnen sich die Randlinien des Hochgefildes, des Fjelds, das betreten werden soll. Eine Zahl kleiner Steinbrücken, aus einem einzigen, gedrungenen Bogen bestehend, führt über die wilden Bäche. Schon bei 550 m Höhe sind die Birken selten geworden, und allmälig werden die Matten durch Beerenkräuter, Moose und Farne verdrängt. Der Weg zieht sich aus einem kleinen Hochthal um den Bergkops nach rechts in ein anderes Hochthal, das immer öder wird. Bei 900 m ist die Vegetation so weit verschwunden, daß sie keine Rolle mehr spielt für den Charakter der Landschaft. Die Steigung wird geringer, das Thal flacher, weithin dehnen sich die felsigen Flächen, vielfach bedeckt mit Trümmerblöcken. Der schäumende Bach verschwindet nicht selten unter den angehäusten Schneemassen, welche in Folge von Unterhöhlung ausbrechen und an die Bildung alpiner Firnregionen erinnern. Durch diese Oede verläuft die prächtige Straße und führt durch eine Fjeld-Mulde aus dem Gebiete des Atlantischen Oceans in das der Nordsee. Zur Seite ragen die Berge noch 500—800 m höher aus, und einer derselben ist vergletschert. Er fällt nieder gegen den See, gegen den Djub-Vand, auf dessen Wasser Eisblöcke und Eistafeln schwimmen; man sieht ihre Fortsetzung nach unten und erfreut sich an dem bläulichen Farbenspiel unter der Oberfläche.