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Deutsche Rundschau.
zierlichen, aus Mahagoniholz gefertigten Boot nahm der Kaiser Platz, während die Herren des Gefolges durch denselben Dampfer in einem größeren Boot geschleppt wurden.
Nach anderthalbstündiger Fahrt wurde das andere Ende des langen Sees erreicht. Hier stand das Karriol. An dem Hose Briksdal begann die Fußwanderung zu dem gleichnamigen Gletscher. In etwa 250 m Höhe wurde aus breiter Felssläche ein Rastplatz auf dem rechten Thalhang ausgesucht. Der Kaiser war sehr erfreut über die Schönheit des dargebotenen Bildes: in geringer Entfernung lag der Gletscher da, sein blaues Farbenspiel unter den Strahlen einer klaren Sonne entfaltend; schiesergraue Gesteinswände faßten ihn ein; Erlengebüsch deckte die Thalsohle; und abwärts sah man einen Halbcircus von mächtigen Dimensionen, eingelassen in den steinernen Bau des Jostedal-Gebirges.
Seine Majestät begab sich während des Aufenthalts vor Oldören häufig an Land und verbrachte zuweilen eine bis zwei Stunden mit Lachsfischen. Wie in früheren Jahren geschah dies in dem von Mr. Edmund Byron gepachteten Flusse, dem Abfiuß des Olden-Vand. Trotz alles Interesses für diesen Sport legte sich der Kaiser Beschränkung in der Ausübung aus und that gelegentlich den Ausspruch: „Ich habe zu viel zu thun, um einen ganzen Tag auf einen Lachs warten zu können."
Der in Oldören am meisten ins Auge springende Berg ist die Cecilien- krone; sie liegt am unteren Ende des Olden-Vand, bildet daselbst das linke Ufer und beherrscht auch das flache Eyd und den daselbst eingerissenen Abfiuß. Sie ist 1720 m hoch und erscheint, aus der Tiefe beobachtet, als eine steile Pyramide. Ein sehr originelles Bild, das ich ausnehmen durfte, zeigt im Hintergründe die Cecilienkrone; eine breite Wasserfläche — es sind die schäumenden Fluthen des Olden-Flusses — erfüllt den Mittel- und Vordergrund; hier steht ganz allein der Kaiser, in dem Gewände des Lachssischers, mit beiden Armen die schwere Angelruthe haltend, den Blick aus das Wasser gerichtet.
XII.
Seine Majestät willfahrte meinem Wunsche, die Cecilienkrone zu ersteigen; ich hoffte dadurch neue Einblicke in die norwegische Gebirgsnatur zu gewinnen. Gras von Görtz, früher ein eifriger Alpinist, schloß sich mir an; unser gemeinsamer Gefährte war der Stabsarzt der „Hohenzollern" vr. Arimont, so daß unsere kleine Expedition aus drei Herren bestand; drei Einheimische begleiteten uns als Träger und Führer.
In Norwegen ragt ein Berg von 1700—1800 m Höhe bereits über der Schneegrenze auf und führt in lebensfeindliche Oeden. Bei der Ersteigung von Alpengipseln durchmißt man selten einen größeren Niveau-Unterschied als etwa 1800 bis 2200 m. Denn die Ausgangspunkte der Schutzhütten oder Biwaks liegen selbst schon hoch. Für die Abstiege nach den Dörfern handelt es sich dann freilich um andere Zahlen; z. B. liegt Chamonix 3760 in unter dem Montblanc. Für die Cecilienkrone war der Meeresspiegel Ausgangspunkt; und die relative Höhe über Olden fiel zusammen mit der absoluten. Unser