Heft 
(1894) 81
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lieber Neo-Vrtalismus.

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oder Boerhaave'schen Impetum kaeians, keinem van Helmont'schen Treüeus inüuus die Rede. Die zweckwidrigen Einrichtungen, an denen es in der organischen Natur, in unserem eigenen Körper, ja nicht sehlt, boten ihm keine Schwierigkeit, da diese Welt ihm nur die bestmögliche war, sür welche unter unendlich vielen möglichen Welten das Verhältniß der Summe des Guten zur Summe des Nebels von Gott wie durch Variationsrechnung als das Maximum erkannt und welche deshalb von ihm gewählt und ins Dasein gerusen sei. Da Leibniz die Willenssreiheit leugnete, erwuchs ihm auch dar­aus kein Hinderniß.

Diese Ausstellungen lagen indeß dem gewöhnlichen Menschenverstände zu sern, um einen großen Einfluß auf die Meinungen der Naturforscher und Aerzte zu üben. Voltaire verspottete sie im Oancliäs, die Gelehrten von Fach ließen sie abseits liegen und fuhren fort, sich über die Lebenserscheinungen ihre eigenen Theorieen zu bilden. Die Wissenschaft im Ganzen war noch von den Fesseln der Theologie umstrickt, das Licht der großen Newton'schen Ent­deckungen warf nur spärliche Strahlen in das biologische Gebiet. Sie er­weckten Wohl das Streben nach ähnlichen Fortschritten in der Physiologie, wie sie der geniale Landgeiftliche Stephen Hales in seiner VsMtadls Ltatielm und IWuiastatielm experimentell, die Jatro-Mechaniker und -Mathematiker von Montpellier, über die sich d'Alembert lustig macht, theoretisch versuchten. Doch blieb in der Frage nach den in der organischen Natur waltenden Grund- krästen ein halb spiritualistischer Dualismus herrschend, wie er dem mensch­lichen Hange zur Personification unbekannter Ursachen am meisten zusagte. Das schlagendste Beispiel davon liefert der merkwürdige Mann, der seine Un­sterblichkeit dreien von ihm ausgegangenen Irrlehren verdankt, der Lehre vom Phlogiston, der vom Muskeltonus und der von der Tniina inseia, als der die körperlichen Verrichtungen besorgenden Seele. Nicht Alle aber dachten mit so klarer Bestimmtheit wie, wenn auch in unrichtigem Sinne, Georg Ernst Stahl. Zum Verständniß der organischen Natur, die Leibniz rein mechanisch werden ließ, riefen die Meisten unfaßbar dunkle Mächte an, bei denen sich so wenig etwas denken ließ, wie einst bei Platon'sbewegenden Ideen", und für welche sich allmälig der NameLebenskraft" einbürgerte. Wer diesen in Deutschland zuerst gebrauchte, ist Wohl kaum auszumachen. Haller, der doch die Meinungen Descartes' und Leibnizens sür, die Newton's gegen Erhaltung der Kraft zu des letzteren Gunsten abwägt, schlägt sich dabei noch mit dem schwierigen Begriff der Aristotelischen Entelechie herumnach der Lebenskraft suchte ich vergeblich bei ihm. In Frankreich wird von Milne Edwards das zweifelhafte Verdienst, eine IMes vitale erdacht und benannt zu haben, Barthez zugeschrieben, der sich übrigens, wie ich finde, immer nur des Aus­druckes krineixe vital bedient. ^ Vollends wäre es unthunlich, durch das ganze achtzehnte Jahrhundert die verschiedenen Definitionen zu verfolgen, welche die Autoren von ihren Lebenskräften gaben. Im Allgemeinen sah man die Lebenskraft als ein der Seele verwandtes, neben ihr im Körper hausendes Wesen an, andererseits vermischte man auch deren Begriff vielfach mit dem des sogenannten Nervenprincips oder gar der thierischen Wärme, später der

Deutschs Rundschau. XXI, 3.