Heft 
(1894) 81
Seite
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Deutsche Rundschau.

Wesen, zeigt uns etwas ganz Anderes, zeigt uns Qualitäten der verschiedensten Art, zeigt uns Dinge, die nicht räumlich geordnet sind, zeigt uns Vorgänge, die nichts mit einem Mechanismus zu thun haben. . . . Daß die physio­logische Forschung mit dem complicirtesten Organismus, dem menschlichen, be­ginnt, rechtfertigt sich aus dem Grunde, daß dieser der einzige ist, bei dessen Erforschung wir nicht bloß ans unsere Sinne angewiesen sind, in dessen innerstes Wesen wir gleichzeitig noch von einer anderen Seite her ein- dringen durch die Selbstbeobachtung, den inneren Sinn, um der von außen vordringenden Physik die Hand zu reichen."

Ich muß gestehen, daß es mir unmöglich ist, mit dieser Auseinander­setzung einen Sinn zu verbinden. Hr. Bunge führt dann weiter aus, daß, je eingehender, vielseitiger, gründlicher wir die Lebenserscheinungen zu er­forschen streben, desto mehr kommen wir zur Einsicht, daß Vorgänge, die wir bereits geglaubt hatten physikalisch und chemisch erklären zu können, weit verwickelterer Natur sind und vorläufig jeder mechanischen Erklärung spotten". Er erläutert dies an der Resorption im Darm, welche man ansDiffusion und Endosmose" (soll Wohl heißen Diffusion und Transfilsion) zurückführen zu können glaubte, während man jetzt den Epithelzellen und den Lenkocyten einen Antheil zuzuschreiben genöthigt ist, wobei letztere sogar eine Wahl­anziehung erkennen lassen. Schließlich kommt Hr. Bunge zu dem Ausspruch: In der Activität da steckt das Räthsel des Lebens drin."

Gewiß, und dieseActivität", Hrn. Virchow'simmanente Bewegung", ist eben das, was vorher als dynamisches Gleichgewicht in den Lebewesen und als der grundlegende Unterschied zwischen ihnen und den todten Körpern bezeichnet wurde, also etwas ganz physikalisch Vorstellbares. Hr, Bunge übersieht, daß diese Activität Nahrungsstoffe, Wasser, Luft und Wärme, die integrirenden Reize der älteren Physiologie, voraussetzt; daß sie aufhört, wenn diese fehlen, daß folglich, was er Activität nennt, und worin in der That das Räthsel des Lebens steckt, nichts ist, als ein durch den von ihm verschmähten Chemismus unterhaltener Stoffwechsel, wodurch potentielle in tinetische Energie umgewandelt wird.

Wiederum tritt hier, bei Hrn. Driesch und bei Hrn. Bunge, nur in etwas veränderter Gestalt, dasselbe zu Tage, welches wir vorher

dem alten Vitalismus vorwerfen mußten. Sie stellen sich vor, daß in den Lebewesen, in einer Zelle andere Kräfte thätig seien, als die, welche die Atome der Zellen, Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor u. s. w. außerhalb der Zelle entfaltet haben würden, aber sie bleiben den Beweis dafür schuldig. Haben die Atome keine anderen Kräfte entfaltet, so sind eben alle Vorgänge in der Zelle physischer und chemischer Art wie in einem Reagirglase. Mit diesem einfachen Schluß ist der Neo-Vitalismus gerichtet, wie sein Vorgänger mit der Bemerkung, daß ein Atom kein Fuhrwerk sei. Dabei ist es vollkommen gleichgültig, ob es sich um die verhältnißmäßig ein­facheren Probleme handle, über welche unsere Vorgänger vor fünfzig Jahren sich den Kopf zerbrachen, oder um die mehr verwickelten, welche Hr. Bunge mit einem: k3vb uns vorhält; gleichgültig, ob um die Zellen als