Ueber Neo-Vitalismus.
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Elementarorganismen im bisherigen Sinne, oder um deren feinere Bestand- theile, heißen sie nun Micellen, Plasome oder Granula; gleichgültig endlich, ob um die Atome als Grundstoffe der heutigen Chemie, wie sie in Hrn. Mendelejeff's System ihre natürliche Ordnung fanden, oder um deren noch unbekannte, wahrhaft letzten Elemente. Ich bin es wahrlich nicht, der sich weigert, vor Grenzen unseres Naturerkennens Halt zu machen. Bewahren wir aber doch unser Ignoradimus für Punkte auf, Wo es wirklich am Platze ist.
Hr. Bunge scheint übrigens nicht abgeneigt zu Compromissen. Die Wissenschaft schrickt ihm vor keiner selbstgesteckten Grenze zurück. Selbst die Beschränktheit unserer Geistesgaben vermöge ihren Siegeslauf nicht aufzuhalten. Nicht der leiseste Vernunstsgrund sei dafür vorhanden, daß nicht eine Zeit kommen werde, wo die alsdann lebenden Menschen uns in ihren geistigen Gaben ebenso hoch überragen würden, wie wir mit unserem Verstände die Infusorien des Urmeeres, und alsdann vermöchten, die uns heute mechanisch unverständlichen Vorgänge mechanisch zu verstehen. Ich habe indessen schon Hrn. Haeckel bemerklich machen müssen, daß auf diesem Wege, ohne para- typische Entwicklung, höchstens das unter dem Namen des Laplace'schen Geistes bekannte Ideal zu erreichen wäre, für den aber unser iMorabimus erwiesenermaßen auch geschrieben steht. ^
Was den Einwand der Neo-Vitalisten betrifft, daß die Elementarorganismen zu klein, die Verwicklung der Vorgänge darin zu groß seien, um mechanisch vorgestellt werden zu können, daß besonders die Vererbung der väterlichen Eigenschaften dabei unbegreiflich bleibe, so fällt dieser Einwand gegenüber der von der modernen Moleculartheorie erlangten Einsicht in die freilich, wie die Entfernung der Gestirne, unvorstellbare Kleinheit der letzten Theile der Materie.
Wenn wir so über diese uns in den Weg gelegten Hindernisse leichten Fußes hinwegschreiten, so wartet unser beim Vertheidigen der mechanistischen Weltansicht doch noch eine ernstere Schwierigkeit. Nachdem die Darwinsche Lehre den oben geschilderten Triumphzug gehalten hatte, verflog nach einiger Zeit der Rausch. Von verschiedenen Seiten her erhoben sich lauter und immer lauter Zweifel an der Strenge von Darwin's Beweisführungen. In einem großen Werke hatte der früh verstorbene Albert Wigand sie schon vor Jahren zusammengestellt doch war damals die allgemeine Meinung Darwin noch so günstig, der Dank für seine befreiende That so lebendig, daß man gern über diesen oder jenen fragwürdigen Punkt sortsah, um so eher, als deren mehreren Darwin selber mit großem Geschick zuvorgekommen war. Ich kann, beiläufig gesagt, dazu nicht den rechnen, den ich selber einmal an dieser Stelle hervorhob, nämlich daß nicht einzusehen sei, wie gewisse Organe schon in ihrem ersten Werden dem Individuum im Kampf ums Dasein nützen konnten. Darwin hatte sich selber darauf entgegnet, daß man nicht wissen könne, zu welchem anderen Zweck als dem später zu erfüllenden sie dienlich sein mochten. Man versteht aber beim besten Willen nicht, wozu einem Zitterfisch seine Batterieen, einer Schlange ihr Giftzahn nützen konnten, ehe das Organ stark genug schlug, das Gift wirksam genug war, um als