Heft 
(1894) 81
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Deutsche Rundschau.

Schutz- und Trutzwaffe zu dienen.^ Doch es wäre nicht gut möglich, die allmälig sich steigernde und ausbreitende Polemik Wider den Darwinismus hier im einzelnen zu verfolgen. Dies bedeutete nichts Geringeres als Be­richterstattung über eine ganze umfang- und beziehungsreiche Literatur.

Die darin enthaltenen Angriffe betreffen weniger die Abstammungslehre an sich, obfchon auch diese immer wieder die Klagen wegen der vermißten Mittelformen und beweisenden Beispiele, wegen der Unausführbarkeit von Versuchen in absehbarer Zeit zu hören bekommt. Mr. Marsh's Entdeckungen, offenbar einer der bedeutendsten Fortschritte der Paläontologie, haben dieser Art von Einwendungen viel von ihrem Gewichte genommen.

Ungleich bedenklicher steht es um den anderen Theil der Darwinschen Lehre, um die Vererbung vortheilhafter Eigenschaften als Mittel zur Ver­vollkommnung der Thiere und zur Herstellung zweckmäßig eingerichteter Organe. Der Zustand der Theorie in Bezug hierauf läßt sich in Kürze nicht besser darlegen, als durch Hinweis auf die beiden Männer, welche in England und Deutschland als Kritiker des Darwinismus die Führung übernommen haben, auf Mr. Herbert Spencer und Hrn. Weismann. Ersterer hat sich neuerlich in IÜ6 Ooutsmporar^ Uevie^v überdie Unzulänglichkeit der natür­lichen Zuchtwahl" ausgelassen,^ vorzüglich auf den Grund hin, daß diese Art, die Entstehung zweckmäßiger Einrichtungen zu erklären, auf die Fälle nicht Passe, in denen geringere Vollkommenheit eines Organs noch nicht Zugrundegehen der benachtheiligten Thiersorm nach sich ziehen könnte, wie beispielsweise geringere Feinheit des Ortsinnes an der Zungenspitze. Da­gegen würde es nach ihm leicht sein, die in anderen Fällen sich kundgebende Vervollkommnung dieses Sinnes durch Vererbung einer durch Uebung er­worbenen feineren Ausbildung verständlich zu machen. Hr. Weismann seiner­seits hat mit unermüdlichem Nachdenken und staunenswerthem dialektischen Scharfsinn eine an die Pangenesis des Hippokrates anknüpfende Reihe von Theorieen entwickelt, welche in der Continuität, ja Ewigkeit seinesKeim- plasma's" gipfelt, woraus die Vererbung elterlicher Eigenschaften überhaupt erst verständlich wird, während diejenige erworbener Eigenschaften so gut wie ausgeschlossen scheint.^ Also sowohl die natürliche Auslese der durch Varietäten­bildung entstandenen Zweckmäßigkeiten, wie die Vererbung erworbener Vor­züge werden jede von einem der berufensten Ergründer dieser schwierigen Probleme in Zweifel gezogen. Die sogenannte geschlechtliche Auslese, der übrigens auch manche Bedenken entgegenstehen, der Schutz, den nach Mr. Wallace wehrlose Geschöpfe sich durch Verlarven als gefährliche Räuber ver­schafft haben, spielen hier nur eine Nebenrolle.

Bei früheren Gelegenheiten habe ich selber schon zu diesen Dingen Stellung genommen und will heute nicht daraus zurückkommen. Ich will vielmehr, ohne dadurch etwas in Betreff meiner jetzigen Meinungen zu prä- judiciren, einmal von der Annahme ausgehen, welche Hr. Driesch als Vor­kämpfer des Neo - Vitalismus mit unbedingter Schärfe ausspricht, daß der Darwinismus nichts gewesen sei, als eine leichtgläubig hingenommene,