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Deutsche Rundschau.
semitischen Sprachen noch zu den indogermanischen Sprachen irgend welche Beziehung. Sie gehört zu der durch neue Entdeckungen für uns stets wachsenden Zahl alter vorderasiatischer Idiome, die verhältnißmäßig die meiste Ähnlichkeit mit dem Bau der ural-altaltaischen Sprachen aufweisem ohne daß bisher, was bei der Spärlichkeit des überdies zum Theil erst seit Kurzem bekannten Materials nicht zu verwundern ist, eine nähere Verwandtschaft zwischen diesen verschiedenen Idiomen selbst, geschweige denn ihre Zugehörigkeit zu einem Zweige einer bestimmten Sprachfamilie hätte erwiesen werden können. Unter diesen Umständen blieb die Entzifferung zunächst auf die Thatsache angewiesen, daß gewisse Zeichengruppen, sogenannte Ideogramme, die in der assyrischen Schrift einen Gegenstand nicht sowohl nach seiner lautlichen Bezeichnung, als vielmehr seinem Begriffe nach und bildlich darstellen, auch in diesen altarmenischen Inschriften wiederkehren. So konnte man rein nach der äußeren Gestalt des Zeichens erkennen, wo von einem Gott, einem König die Rede war, und die Namen von Göttern und Königen ermitteln, ohne daß man wußte, welches die chaldischen Bezeichnungen für „Gott", „König" seien. So ergab sich auch, daß die Herrscher von Van sich, wahrscheinlich nach der um Van Lelegenen Landschaft als „Könige von Biaina" bezeichnten. Dagegen blieb aus später zu erörternden Gründen unerkannt, daß die Könige ihre llnter- thanen nach dem von ihnen verehrten Hauptgotte Chaldis als „Chalder" (Chaldini) bezeichnten, und daß wir somit in ihnen die nördlichen Bergbewohner zu erblicken haben, die von den griechischen Autoren als Chalder, häufiger noch — aber wie wir sehen werden, irrthümlicher Weise — als Chaldäer genannt werden. Im Folgenden werden, dem einheimischen Brauche entsprechend, die Bezeichnungen „Chalder" und „chaldisch" überwiegend verwendet werden.
Dem Scharfblick Guyard's und Sahce's gelang es dann, ebenfalls zunächst nach den vorkommenden Ideogrammen, nachzuweisen, daß gewisse Sätze, welche regelmäßig am Schluffe längerer chaldischer Inschriften erscheinen, dem Inhalte nach entsprechen den Fluchformeln, mit welchen am Schlüsse der assyrischen Königsinschriften vor einer Schädigung der Inschrift selbst oder der Bauten, auf welche sie sich bezieht, gewarnt zu werden pflegt. Dadurch wurde ein Einblick in den Ban und in den lexicalischen Bestand der Sprache angebahnt, und Sayce konnte den Versuch machen, die bis dahin bekannten Inschriften zu übersetzen und zu erläutern, wobei jedoch aus den „Versuch" ein besonderer Nachdruck zu legen ist.
In allerjüngster Zeit hat unser Material an chaldischen Inschriften eine bedeutende Vermehrung erfahren, die gleichzeitig einige Fortschritte im Ver- ständniß der Inschriften ermöglicht hat.
Herr Vr. Waldemar Velck hat auf einer im Jahre 1891 unternommenen Forschungsreise durch Armenien eine große Anzahl von chaldischen Keilinschriften copirt, von denen sich eine bedeutende Anzahl als gänzlich unbekannt erwiesen hat.
Herr Belck ist seines Zeichens Chemiker. Schon als Student der Chemie hat er die von der Berliner theologischen Facultät gekrönte Preisschrift über die Geschichte des Montanismus verfaßt und so von seiner Befähigung, auf