Das vorarmenische Reich von Van.
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ihm ursprünglich fern liegenden Gebieten Tüchtiges zu leisten, Zeugniß abgelegt. Mit der Keilschriftforschung war er bei Antritt seiner im Einverständniß mit Herrn Professor R. Virchow unternommenen, zunächst mehr anthropologischen und ethnologischen Zwecken dienenden Reise in keinerlei Berührung gekommen, stand also den Inschriften, die er copirte, ganz so fremd gegenüber wie seiner Zeit Schultz. Daß Belck, nachdem er drei Jahre lang als Elektrotechniker in dem Siemens'schen Kupferbergwerke in Kedabeg gearbeitet hatte, mit Land und Leuten Wohl vertraut war und sich freundschaftlicher Förderung von Seiten der hohen armenischen Geistlichkeit zu erfreuen hatte, mag ihm auch bei der Aufsuchung und dem Copiren der Inschriften in gewisser Hinsicht förderlich gewesen sein. Jedenfalls erweisen sich seine Copien als vielfach noch genauer als die von Schultz; auch ist es ihm gelungen, von Inschriften, die Schultz als unleserlich bezeichnet hatte, brauchbare Copien anzufertigen. Nachdem Herr Belck schon in Armenien begonnen hatte, sich die bisherigen Ergebnisse der Entzifferung der altarmenischen Inschriften anzneignen — er las mir bei unserem ersten, von Herrn Virchow veranlaßten Zusammentreffen die Königsnamen aus den von ihm copirten Inschriften ohne Weiteres vor — haben wir dann gemeinsam das neue inschriftliche Material zu bearbeiten begonnen. Diese Arbeit ist noch nicht abgeschlossen. Ebenso ist das Material, auch jetzt noch, von Vollständigkeit weit entfernt, da Belck auf seiner Reise nicht alle Orte besuchen konnte, an denen, zuverlässigen Nachrichten gemäß, noch Keilinschriften — und zwar zum Theil recht umfangreiche — zu finden sind. Wohl aber haben wir durch die neuen Inschriften über zwei wichtige Epochen der Geschichte der Stadt und damit des Reiches von Van sichere und werthvolle Kunde erhalten. Und da bei der geschilderten Sachlage ein auch nur einigermaßen abgeschlossenes Bild von der Geschichte und der Cultur der Chalder nicht geboten werden kann, so sei es mir gestattet, in der folgenden Skizze bei diesen neuen Ergebnissen und der Art und Weise ihrer Ermittlung vorwiegend zu verweilen.
Die Gestalt des Van-Sees ist der der Insel Sicilien nicht ganz unähnlich. Etwa der Lage von Syracus entsprechend, jedoch, außer beim höchsten Wasserstande des Sees, nicht unmittelbar am südlichen Theile des östlichen Seeusers, liegt die heutige Stadt Vam Den Zugang zum Ban-See von Assyrien her (also von Südsüdwest und Südost) verwehren hohe, fast unübersteigliche Bergzüge mit schwer zugänglichen Pässen von 10000 Fuß Höhe, die noch dazu wegen ihrer Enge durch eine Handvoll Menschen leicht zu vertheidigen waren. Diese Bergzüge haben denn auch die Assyrer niemals überschritten, sondern sind regelmäßig nur, indem sie westlich und dann nordöstlich um den Ban- See herumzogen, durch das zwischen diesem und dem Araxes gelegene Gebiet an das Ostufer des Van-Sees und weiter an den Urmia-See gelangt.
Die ursprünglichen Sitze der Chalder sind wahrscheinlich östlich vom Ban- See zu suchen, genau läßt sich nicht angeben, wo; als sie ihre Macht am Nvrd- ufer des Sees und darüber hinaus nach Westen ausdehnten, trafen sie am Arsanias, dem östlichen Quellsluß des Euphrat, mit den Assyrern zusammen. Erst nach diesem Zusammenstoß sind — wie nachweisbar, ebenfalls in neu