Literarische Notizen.
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Wilhelm Gentz, des unübertroffenen Orientmalers, ist eine der schönsten Zierden vorliegender Collection, die sich äußerst mannigfach zusammensetzt und die verschiedensten Lebenskreise umfaßt. Neben hohen Staatsbeamten und Excellenzen, wie H. von Friedberg, Carl Herzog, H. von Stephan und dem Admiral Eduard Knorr, finden wir den eminenten Techniker Werner von Siemens, den die Kunst und die Jagd liebenden Parlamentarier H. von Benda, den ausgezeichneten Chirurgen Ernst von Bergmann, den Generalarzt und seinen Kenner Italiens Franz Valentini, die Maler Ludwig Knaus, Ernst Koerner und Paul Meyerheim, den Radirer Max Klinger, die Bildhauer Karl Kundmann und Max Klein, aus der Musikwelt nur Einen, aber dieser Eine Joseph Joachim, von Dichtern und Schriftstellern Theodor Fontane, Klaus Groth, Friedrich Spielhagen u. m. A., den Verfasser der Kostümkunde, Hermann Weiß, und den um die Fortschritte der Photographie höchst verdienten Hermann Vogel. Außer den kurzen, aber recht genauen biographischen Notizen ist jedem Porträt ein facsimilirter Sinnspruch, in Vers oder Prosa, des Largestellten beigegeben, so daß Schrift- und Gesichtszüge einander gleichsam ergänzen. Diese Bildergalerie bedeutender und erprobter Männer, mit dem Schatz von Lebensweisheit, der in ihren Aeußerungen niedergelegt ist, eignet sich in ihrer vorzüglichen Ausstattung ganz besonders zu Festgeschenken, die nicht nur den Büchertisch zieren sollen, sondern zu wiederholter Betrachtung einladen.
Von Karthago nach Kairuan. Bilder aus dem orientalischen Abendlande von I. T. von Eckardt. Berlin, W. Hertz. 1894.
Wer je die erinnerungsreichen Stätten des alten Karthago besucht und es unternommen hat, sich in dem schönen weißen Tunis umzusehen und seine Umgebung zu durchschweifen, hat schmerzlich den Mangel eines Buches empfunden, welches ihm über Land, Leute und Verhältnisse zuverlässige Aufklärung gibt. Außer einigen veralteten Notizen deutscher Reisehandbücher und den sehr kurzen, nicht erschöpfenden Angaben Murray's oder Joanne's fehlte es bisher an jedem handlichen und wirklich erschöpfenden Hülfsmittel für den Reisenden, welcher nicht ganze Bibliotheken mit sich führen kann. Diese Lücken füllt das vorliegend e Merkchen glänzend aus. Und es thut sogar mehr, es entrollt Bilder, welche jedes für Poesie empfängliche Gemüth fesseln müssen. Wer Tunis nicht kennt, erhält bei der Lectüre dieser Seiten den lebhaften Wunsch, diesen wunderbaren Erdenfleck zu besuchen, auf den Trümmern Karthago's zu träumen und das Meer von der Höhe Nidi-Bu-Said's zu bewundern. Es ist eine Dame, welcher die deutsche Literatur dieses feine Büchlein verdankt, eine an einen französischen Arzt verheirathete Tochter des als Schriftsteller so rühmlich bekannten deutschen Generalkonsuls in Stockholm, von Eckardt. In langjährigem Aufenthalt hat sie Land und Leute kennen gelernt und
ihre Geschichte mit einer bei Damen seltenen Gründlichkeit studirt. Jede Zeile der Aufsätze: „Die Stätten Karchago's" „Kairuan" und „Ein Jahr beiden Ajaris" legt davon Zeugniß ab, wie die Leser der „Rundschau" wisse», in welcher diese Schilderungen zuerst ohne den Namen der Verfasserin erschienen sind. Noch mehr aber als das historische und geographische Wissen der Verfasserin verleiht ihren Skizzen Reiz ihre Beherrschung der arabischen Sprache, ihre Vertrautheit mit den Sitten und Bräuchen des Landes. In orientalischen Ländern, wo eine so unendlich zähe Tradition das Leben beherrscht, steht man ohne solche Kenntnisse den meisten Erscheinungen rathlos gegenüber. Und gerade der Umstand, daß die Verfasserin in diesem Felde so genau Bescheid weiß, gibt ihrer Schrift einen bleibenden Werth. Studien wie die oben genannten, wie „Pilgerleben", „Herr Hamda der Apotheker", „Heiligthum" wird Keiner, der sie gelesen, sobald vergessen. Der Zauber einer fremdartigen Welt schwebt über ihnen; aber die Menschen, die wir auf dem Hintergründe dieser großartigen, ebenso schönen wie schwermüthigen Natur kennen lernen, treten uns sympatisch näher in der liebevollen, von feinem Humor getragenen Darstellung der Verfasserin, die wir zu diesem ersten Schritt in die Literatur aufrichtig beglückwünschen.
7r. Bilder aus der ägyptischen Geschichte.
Leipzig, Dürr'schs Buchhandlung. 1893.
Wir sind in der Lage, als Verfasserin des vorliegenden Büchleins Marie Gräfin Witzleben, geb. Prinzeß Reuß j. L., nennen zu können. Das Schriftchen gibt Reiseeindrücke wieder und schließt eine faßliche Uebersicht der Errungen- fchasten moderner Aegyptologie an. Besondere Sorgfalt hat die Verfasserin aus die Berührungspunkte der ägyptischen und biblischen Geschichte verwandt, und mit frommem Eifer spürt sie allen hieroglyphischen Aufzeichnungen nach, dis mit der alttestamentlichen Tradition übereinstimmen. Die Darstellung ist leicht und angenehm und wird nicht durch gelehrte Exeurse unterbrochen. Der Ertrag des Buches ist für einen wohlthätigen Zweck bestimmt, lz Dichtergrüße aus dem Osten. Japanische Dichtungen, übertragen von
Prosefsor vr. K. Florenz in Tokio.
Leipzig, C. F. Amelang.
Zu derselben Zeit, wo unser Aller Blicke den kriegerischen Ruhmesthaten der tapferen japanischen Nation mit begründetem Antheil folgen, flattert uns von dort — zum redenden Beweife, daß im Reiche der Kubo-Dynastie unter dem Waffenlärm die Kulturarbeit keineswegs stockt — ein allerliebstes Büchlein zu, das durch seinen höchst werthvollen Inhalt ebenso sehr wie durch ein originell-künstlerisches Exterieur aller Anerkennung werth ist. Wir verdanken ersteren dem feinsinnigen literaturkundigen Gelehrten Or. K. Florenz in Tokio, der uns in musterhaften Uebertragungen die Kenntniß vorzüglicher alt-japanischer Dichtungen vermittelt; letzteres der hochangesehenen Verlagshandlung von T. Hasegawa in Tokio. Der Text des unvergleichlich originellen Bandes