Grete NinSe.
in ihrer Brust gekreuzt. Grete war noch ein Kind, so sagte sie sich, und alles was sie von ihrem Versteck ans gesehen hatte, war nichts als ein kindisches Spiel. Es war nichts und es bedeutete nichts. Und doch, es war Liebe, die Liebe, nach der sie sich selber sehnte, und an der ihr Leben arm war bis diesen Tag. Sie war nun eines reichen Mannes ehelich Weib; aber nie, soweit sie zurückdenken mochte, hatte sie lachend und plaudernd auf einer Gartenbank gesessen, nie war ein frisches, junges Blut um ihretwillen in einen Baumwipsel gestiegen und hatte sie dann kindlich unschuldig umarmt und geküßt. Das Blut stieg ihr zu Kopf, und Neid und Mißgunst zehrten an ihrem Herzen.
Sie wartete, bis Grete wieder diesseits war, und ging dann raschen Schrittes über den Hof auf Flur und Straße zu, um nebenan ihre Muhme Zernitz, des alten Rathsherrn Zernitz zweite Frau und Valtins Stiefmutter, aufzusuchen. In der Thür des Nachbarhauses traf sie Baltin, der bei Seite trat, um ihr Platz zu machen. Denn sie war in Staat, in hoher Stehkrause und goldner Kette.
„Guten Tag, Baltin. Ist Emrentz zu Haus? Ich meine Deine Mutter."
„Ich denke, ja. Oben."
„Dann geh' hinauf und sag' ihr, daß ich da bin."
„Geh' nur selbst. Sie hat es nicht gern, wenn ich in ihre Stube komme."
Es klang etwas spöttisch. Aber Trud, erregt wie sie war, hatte dessen nicht Acht und ging, an Baltin vorüber, in den ersten Stock hinaus, dessen große Hintcrstube der gewöhnliche Aufenthalt der Frau Zernitz war. Das nach vorn zu gelegene Zimmer von gleicher Größe, das keine Sonne, dafür aber viele hohe Lehnstühle und grün-verhangene Familienbilder halte, war ihr zu trist und öde. Zudem war es das Wohn- und Lieblingszimmer der ersten Frau Zernitz gewesen, eitler steifen und langweiligen Frau, von der sie lachend als von ihrer „Vorgängerin im Amt" zu sprechen pflegte.
Trud, ohne zu klopfen, trat ein und war überrascht von dem freundlichen Bilde, das sich ihr darbot. Alle drei Flügel des breiten Mittelsensters standen auf, die Sonne schielt, und an dem offenen Fenster vorbei schossen die Schwalben, lieber die Kissen des Himmelbetts, dessen hellblaue Vorhänge zurückgeschlagen waren, waren Spitzentücher gebreitet, und vom Hof heraus hörte man das Gackern der Hühner und das Helle Krähen des Hahns.
„Ei, Trud," erhob sich Emrentz und schritt von ihrem Fensterplatz auf die Muhme zu, um diese zu begrüßen. „Zu so früher Stunde. Und schon in Staat! Laß doch sehen. Ei, das ist ja das Kleid, das Du deu Tag nach Deiner Hochzeit trugst. Wie lang ist es? Ach, als ich Dir damals gegenüber saß, und Zernitz neben mir, und die grauen Augen der guten, alten Frau Zernitz immer größer und immer böser wurden, weil er mir seine Geschichten erzählte, die kein Ende hatten, und immer so herzlich lachte, daß ich zuletzt auch lachen mußte, aber über ihn, da dacht' ich nicht, daß ich zwei Jahre später an diesem Fenster sitzen und auch eine Frau Zernitz sein würde."
„Aber eine andre."