- Theodor Fontane in Berlin. -
Ermessen durchzusühren. Und jetzt erhob sich Christus von seinem Thronsessel und gab mit der Rechten das Zeichen, daß das Gericht zu beginnen habe. Ein Donnerschlag begleitete die Bewegung seiner Hand und die Erde that sich aus, aus der nun, erst langsam und ängstlich, dann aber rasch und ungeduldig allerhand Gestalten an's Licht drängten, die sich, irgend einem berühmten Todtentanz entnommen, unschwer als Papst und Kaiser, als Mönch und Ritter, und viel andere noch erkennen ließen. Ihr Hasten und Drängen entsprach aber nicht dem Willen des Weltenrichters, und auf seinen Wink eilte jetzt der sonderbare Scherge herbei, drückte die Todten wieder zurück und schloß den Grabdeckel, aus den er sich nun selber gravitätisch setzte.
Nur zwei waren außerhalb geblieben, ein wohlbeleibter Abt mit einem rothen Kreuz auf der Brust und ein junges Mädchen, ein halbes Kind noch, in langem weißem Kleid und mit Blumen im Haar, von denen einzelne Blätter bei jeder Bewegung niederfielen. Grete starrte hin; ihr war, als würde sie selbst vor Gottes Thron gerufen, und ihr Herz schlug und ihre zarte Gestalt zitterte. Was wurd' aus dem Kind'? Aber ihre bange Frage mußte sich noch gedulden, denn der Abt hatte den Vortritt, und Christus, in einem Ton, in dem unverkennbar etwas von Scherz und Laune mitklang, sagte:
Mönchlein, schau hin, Du hast keine Wahl,
Die schmale Pforte, Dir ist sie zu schmal.
Und im selben Augenblick ergriff ihn der Scherge und stieß ihn durch das breite Thor nach links hin, wo kleine Flammen von Zeit zu Zeit aus .dem Boden aufschlugen.
Und nun stand das Kind vor Christi Thron. Maria aber wandte sich bittend an ihren Sohn und Heiland, und sprach an seiner Statt:
Dein Tag war kurz, Dein Herze war rein,
Dafür ist der Himmel Dein.
Geh ein!
Unter Engeln sollst Du ein Engel sein.
Und Engel umfingen sie, und es war ein Klingen wie von Harfen und .leisem Gesang. Und Grete drückte Valtins Hand. Unter allen Anwesenden aber herrschte die gleiche Befriedigung, und der alte Zernitz flüsterte: Hör', Emrentz, der versteht's. Ich glaube jetzt, daß er vor Kaiser und Reich gespielt hat."
Und das Spiel nahm seinen Fortgang.
Inzwischen, es hatte zu dunkeln begonnen, waren die Mindes in dem rechts neben der Flurthür, gelegenen Unterzimmer versammelt, und nahmen an einem Tische, der nur zur Hülste gedeckt war, ihre Abendmahlzeit ein. Der alte Jakob Minde hatte den Platz an der einen Schmalseite des Tisches, während Trud und Gerdt, seine Schwieger und sein Sohn, an den Längsseiten einander gegenüber saßen, Trud steif und aufrecht, Gerdt bequem und nachlässig in Kleidung und Haltung. In allein der Gegenpart seines Weibes;