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Theodor Fontane in Berlin.
Und dabei lachten sie Beid' und schritten wieder rüstig vorwärts, denn die Schilderung von dem Thals hatte Greten erfrischt und ihr ihren Muth und ihre Kraft zurückgegeben. Und eine kleine Strecke noch, da lichtete sich's und wie Dämmerung lag es vor ihnen. Aber statt der Waldwiese war es ein Userstreisen, auf den sie jetzt hinaustraten, und dicht vor ihnen blitzte der breite Strom. „Ich will sehen, wohin er stießt," sagte Vältin und warf einen Zweig hinein. „Nun weiß ich's. Dorthin müssen wir." Und sie schritten flußaufwärts neben einander her. Die Sterne kamen und spiegelten sich, und nicht lange mehr, so hörten sie das Schlagen der Glocken, und die Thurmspitze von Sanct Stephan stieg in dunklen Umrissen vor ihnen auf.
Es war neun Uhr, oder schon vorüber, als sie das Mindesche Haus erreichten. Valtin trat mit in das untre Zimmer, in dem sich um diese Stunde nur noch Trud und Gerdt befanden, und sagte: „Hier ist Grete. Wir hatten uns verirrt. Aber ich bin Schuld." Und damit ging er wieder, während Grete verlegen in der Nähe der Thüre stehen blieb.
„Verirrt", sagte jetzt Trud und ihre Stimme zitterte. „Ja verirrt. Ich denke, weil ihr's wolltet. Und wenn ihr's nicht wolltet, weil ihr ungehorsam war't, und nicht Zucht und Sitte kennt. Ihr solltet zu den Kindern gehen. Aber das war Euch zuwider. Und so ging es in den Wald. Ich werde mit Gigas sprechen und mit Deinem Vater. Der soll mich hören. Denn ich will nicht üble Nachred' im Haus', ob er's gleich selber so gewollt hat. Gott sei's geklagt. . .! Was bracht' er uns das fremde Blut ius Haus? Das fremde Blut und den fremden Glauben. Und arm wie das Heimchen unterm Herd."
In diesem Augenblicke stand Grete vor Trud, und ihre bis dahin niedergeschlagenen Augen blitzten in einem unheimlichen Feuer auf: „Was sagst Tu da von fremd und arm? Arm! Ich habe mir's von Reginen erzählen lassen. Sie kam aus einen: Land, wo sie glücklich war, und hier hat sie geweint und sich zurückgcsehnt, und vor Sehnsucht ist sie gestorben. Arm! Wer war arm? Wer? Ich weiß es. Du warst arm. Du!"
„Schweig", sagte Gerdt.
„Ich schweige nicht. Was wollt Ihr? Ich bin nicht Euer Kind. Gott sei Dank, daß ich's nicht bin. Ich bin Eure Schwester. Und ich wollt', ich wär' auch das nicht. Auch das nicht. Verklagt mich. Geht hin, und erzählt ihm, was ich gesagt Hab'; ich werd' ihm erzählen, was ich gehört Hab', heute draußen im Wald und hundertmal hier in diesem seinen: Haus. O. ich Hab' Euch zischeln hören. Und ich weiß alles, alles. Ihr wartet auf seinen Tod. Streitet nicht. Aber noch lebt er, und so lang er lebt, wird er mich schützen. Und ist er todt, so schütz ich mich selbst. Ja, ich schütze mich selbst. Hörst Du, Trud." Und sie ballte ihre kleinen Hände.
Trud, in ihren: Gewissen getroffen, erkannte, daß sie zu weit gegangen, während Grete plötzlich aller Scheu los und ledig war, die sie bis dahin vor ihrer Schwieger gehabt hatte. Sie hatte das Gefühl eines vollkommenen