Heft 
(1879) 26
Seite
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Grete Min de.

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Aber ob es eine Täuschung gewesen war, oder ob die Musik eben jetzt zu schweigen begann, gleichviel, Beide strengten sich vergeblich an, einen neuen Klang aufzufangen. Und es hals auch zu nichts, als sie das Ohr an die Erde legten.

Weißt Du, Grete" sagte Baltin,ich werd' hier hiuaufsteigen. Das ist ein hoher Baum, da Hab' ich Uebersicht, und es kann keine tausend Schritt sein." Und er schwang sich hinauf und kletterte von Ast zu Ast, und Grete stand unten, und ein Gefühl des Alleinseins durchzitterte sie. Nun aber war er hoch oben.Siehst Du 'was?" rief sie hinauf.Nein. Es sind hohe Bäume rundum. Aber laß nur, die Sonne muß uns den Weg zeigen; wo sie niedergeht ist Abend, und die Stadt liegt nach Mittag zu. Soviel weiß ich gewiß. Also da hinaus müssen wir." Und gleich darauf war er wieder unten bei der ihn bang Erwartenden.

Sie schlugen nun die Wegrichtuug ein, die Baltin von oben her mit der Hand bezeichnet hatte. Aber so sehr sie spähten und suchten, die Wald- wicse kam nicht, und Grete setzte sich müd' und matt aus einen Baumstumpf und begann leise vor sich hin zu weinen.

Meine süße Grete," sagte Baltin,sei doch nicht so bang." Und er umarmte sie und küßte sie herzlich. Und sie litt es und schlug nicht mehr nach ihm, wie damals unter dem Kirschbaum; nein, ein Gefühl unendlicheil Glückes überkam sie mitten in ihrer Angst, und sie sagte nur:Ich will nicht mehr weinen, Baltin. Du bist so gut. Und wer gut ist, dem zu Liebe geschehen Zeichen und Wunder. Und siehe, dessen bin ich gewiß, wenn wir zu Gott um seine Hülfe bitten, dann hilft er auch und führt uns aus dem Walde wieder in's Freie und wieder nach Haus. Gerade wie damals die Jungfer Lorenz. Denn wir sind ja hier im Lorenzwald."

Ja, Grete, da sind wir. Aber wenn der Hirsch küm' und es wirklich gilt mit uns nieinte, dann trüg' er uns an eine andre Stelle, denk' ich, und nicht nach Haus. Denn wir haben eigentlich kein Haus, Grete. Du nicht, und ich auch nicht. Emrentz ist eine gute Frau, viel besser als Trud, und ich danke Gott alle Tage dafür; aber so sie mir nichts zu Leide thut, so thut sie mir auch nichts zu Liebe. Sie putzt sich für sich und für den Vater, und das ist alles. Nein, Grete, nicht in die Stadt und nicht nach Haus, lieber weit, weit fort, in ein schönes, Thal, von Bergen eingeschlossen, und oben weiß von Schnee und unten bunt von Blumen . . . ."

Wo ist das?"

Ich weiß es nicht. Aber ich Hab' einmal in einem alten Buche davon gelesen und da wurde mir das Herz so weit. Zwischen hohen Felswänden liegt es, und der Sturm geht drüber hin und trifft es nie; und die Sonne scheint und die Wolken ziehen; und ist kein Krieg und keine Krankheit; und die Menschen die dort leben, lieben einander und werden altund sterben ohne Schmerz."

Das ist schön," sagte Grete.And nun komm' und laß uns sehn, ob wir's finden."