Heft 
(1879) 26
Seite
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Der Tag", wiederholte Valtin vor sich hin, und es war, als überleg' er's und mustre die Reihe seiner eigenen Tage.

Ja, der Tag" suhr Grete fort.Und jede Stund ist lang wie das Jahr. Kaum, daß ich den Morgenschlaf aus den Augen Hab', so heißt es: Das Kind, das Kind." Und nun spring' ich auf und mache das Bad und mache den Brei. Und nun ist das Bad viel zu heiß und der Brei viel zu kalt. Und dann wieder:Das Kind und das Kind". Und an mir sehen sie vorbei, als war' ich der Schatten an der Wand. Ach, ich weiß, es ist eine Sund',.und ich muß mir's heruntersprechen von der Seel', aber wahr ist es und bleibt es, ich hass' es. Und so kommt Mittag, und wir sitzen an dem runden Tisch, und ich spreche das Gebet. Sprech' es, und Niemand hört daraus. Und wenn ich das letzte Wort gesprochen, so heißt es:Grete, sieh, ich glaub' es schreit." Und dann bring' ich es, und dann geht es reihum und dann soll ich essen mit dem Kind im Arm. Und wenn es hübsch war'. Aber es ist so häßlich, und sieht mich an, als errieth es all' meine Gedanken. Ach, Valtin, das ist mein Tag und mein' Nacht. Und so leb' ich. In meines Vaters Haus ohne Heimath! Unter Bruder und Schwester, und ohne Liebe! Es tödtet mich, daß mich Niemand liebt. Ach, wie's mich danach verlangt! Nur ein Wort, nur ein einzig Wort." Und sie warf sich auf die Knie und legte den Kops ans den Stein und weinte bitterlich.

Es kommen andere Tage," sagte Valtin.Und nur wollen aushalten. Und wenn sie nicht kommen, Eins mußt Du wissen, Gret', ich thn' alles, was Du willst. Sage, daß ich hier hinunter springe, so spring' ich, und sage, daß Dir fort willst, so will ich auch fort. Und wenn es in den Tod ging'! Ich kann nicht leben ohne Dich. Und ich will auch nicht."

Grete war aufgesprungen und sagte:Das Hab' ich hören wollen.

Das, das! Und nun kann ich wieder leben, weil ich dies Elend nicht mehr endlos seh'.' Ich weiß nun, daß ich's ändern kann, jeden Tag und jede

Stunde. Sieh mich nicht so an. Erschrick nicht. Ich bin nicht so wild

und unbändig, wie Du denkst. Nein, ich will still und ruhig sein. Und wir wollen anshalten, wie Du sagst und wollen hoffen und harren, bis nur groß sind und unser Erbe haben. Denn wir haben doch eins, nicht wahr? Und haben wir das, Valtin, so haben wir uns, und dann haben wir die

ganze Welt. Und dann sind wir glücklich. Ach, wie mir so leicht um's

Herz geworden. Und nun komm, und laß uns gehn. Die Sonn' ist unter und die letzten Heerden sind eben herein."

Er war es zufrieden und sie wandten sich und gingen heimwärts, erst unter dem Nußbanm hin und dann über die kleine Zugbrücke fort, die von dem inneren Burghof in den Außenhof führte. In den: Sumpfwasser unter ihnen stand das Rohr und wuchs hoch hinaus bis an das Brückengebälk. Ein Paar blaue Dolden, blattlos und auf langen Stielen, blühten einsam dazwischen. Und nun waren sie wieder jenseits und sahen, daß alle Arbeit in Hof und Tenne schwieg. Die Mädchen, die beim Flachsbrechen gewesen