Lbeodor Fontane in Berlin.
Zweiten, daß uns die Gnade Gottes überall, wo wir zweifelhaft und unsicher in unsrem Gemüthe sind, den rechten Weg finden lasse. Denn die richtigen Wege sind oft wechselvolle Wege, und wenn es heut unsre Pflicht ist zu gehorchen und auszuharren, so kann es morgen unsre Pflicht sein nicht zu gehorchen und uns durch Flucht einem schlimmen Ansinnen zu entziehn. Aber Eines gilt heut und immerdar: wir müssen in unsrem Thun, ob wir nun fliehen oder ausharren, einem höheren Rufe Folge leisten." Und nun
erzählte er mir von dem Fischbeck'schen Pastor und seiner Flucht."
„Aber er muß Dir doch noch mehr erzählt haben?"
„Nein. Vielleicht daß er's gethan, aber der alte Peter Guntz tarn und unterbrach uns. Und ich wußte ja nun auch, was ich wissen wollt' und daß auch eine Flucht das Rechte sein könne. Und als ich heiniging, zählt' ich mir her, wer alles geflohen sei. Joseph und Maria floh. Und auch Petrus floh aus seinem Gefängniß."
„Aber ein Engel des Herren führte sie," sagte Baltin. „Und sie flohen um Gott und Glaubens willen."
Es schien, daß diese Worte Greten in's Gewissen trafen, denn sie schwieg. Endlich aber sagte sie: „Ja, um Gott und Glaubens willen. Aber auch um Lebens und Rechtes willen. Ich mag kein Unrecht sehen, und auch keines leiden."
„Du weißt aber, daß wir Geduld üben und unsere Feinde lieben sollen."
„Ja, ich weiß es; aber ich kann es nicht."
„Weil Du nicht willst."
„Nein, ich will es nicht."
Und als sie soweit gesprochen, wandten sie sich wieder und sahen, dag der Sonnenball unter war und die Burgthürme bereits im Abendrothe glühten. „Es ist Zeit, daß wir heimgehen", sagte Baltin, „oder wir ver- passen's, und Trnd ist eher zu Haus als wir."
„Laß sie," sagte Grete leicht. „Ich mag nicht mehr nach Haus. Mir ist, als wäre dies mein letzter Tag, und als müßt' ich fort. Heute noch. Gleich. Willst Du?"
Baltin sah sie bang und fragend an.
„Du willst nicht? Sag's nur. Du fürchtest Dich."
„Ich will, Grete. Ganz gewiß, ich will. Aber ich muß es Ansehen,
daß es nicht anders geht. Und Hab' ich Dir's anders versprochen, damals ans der Burg, als die Mädchen sangen und die Sommerfäden zogen, so darfst Tu mich nicht beim Worte nehmen. Es war ein Unrecht."
Sie warf den Kops, aber sagte nichts, und nahm seinen Arm. Und
so schritten sie wieder aus die Fähre zu. Die Sterne waren bald heraus
und spiegelten sich in dem stillen Strom, während Mückenschwärme wie Rauchsäulen über ihnen standen. Oben aus der Burg schimmerten noch die Lichter, sonst aber war alles still, und nur aus weiter Ferne her hörte man noch ein Singen, das mehr und mehr verklang. Es waren die kleinen ipeute, die,