Heft 
(1879) 26
Seite
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Grete lllindc. s85

Grete lachte.Und weißt Du, wie lang ich sie weiß? Seit gestern. Und weißt Du von wem? Von Gigas."

Das mußt Du mir erzählen."

Freilich. Das will ich auch. Aber da muß ich weit ausholen."

Thu's nur. Wir haben ja Zeit."

Nun sieh, Baltin, Tn weißt, ich bin immer weit fort; weit fort in meinen Gedanken. Und Dir weißt auch, nur deshalb halt' ich's aus. Und immer Abends, wenn ich mit der Regine bin, les' ich von Kindern oder schönen Prinzessinnen, die vor einem bösen König oder einer bösen Königin geflohen sind, und es giebt viele solche Geschichten, und nicht blos in Märchenbüchern, viel, viel mehr als Du Dir denken kannst, und mit­unter ist es mir, als wären alle Menschen irgend einmal ihrem Glend entlaufen."

Baltin schüttelte den Kops.

Du schüttelst den Köpf. Und sieh, das thu' ich auch. Oder doch von Zeit zu Zeit. Und so war es auch gestern, denn ich hatte wieder einen Traum gehabt, wieder von Flucht, und es war als slög' ich und mir war im Fliegen so wohl und so leicht. Aber als ich auswachte, war ich bedrückt und unruhig in meinem Gemüth. 'Und da dacht' ich, das soll ein Ende haben: du wirst Gigas fragen, der soll dir sagen, ob es etwas Böses ist, zu fliehen. Und so ging ich zu ihm, gestern um die Mittagsstunde, trotzdem ich wohl gehört hatte, daß er selber in Sorg' und Unruh' sei."

Und wie fandest Du ihn?"

Ich fand ihn in seinem Garten zwischen den Beeten, und wir gingen ans und ab, wie er's gern thnt, und sprachen vielerlei, und zuletzt auch von nnserm Herrn Chnrfürsten, der, wie wir ja schon wußten, eine Nacht und einen Tag auf seiner Tangermünder Burg zu verbleiben gedenke. Und als ich sah, daß er sich in seinem Gewissen sorgte, gerade so wie sich's Trud und Gerdt, als sie von ihm sprachen, in unsrem Hause schon zugeflüsiert hatten, da saßt' ich mir ein Herz und fragt' ihn: Was er wohl mein'? Ob Flucht allemalen ein bös und unrecht Ding sei? Oder ob es nicht auch ein recht­mäßig und zuständig Beginnen sein könne?"

Und was antwortete er Dir?"

Er schwieg eine ganze Weile. Als wir aber an die Bank kamen, die zu Ende des Mittelganges steht, sagte er:Setz' Dich, Gret'. Und nun

sage mir, wie kommst Du zu solcher Frag'?" Aber ich gab ihm keine Antwort und wiederholte nur alles, und sah ihn fest dabei an. Und all das könnt' ich, ohne mich ihm zu verrathen, denn ich hatte wohl bemerkt, daß er an nichts als an den gnädigen und gestrengen Herrn Chnrfürsten dachte, der gcnferisch geworden, und daß er immer nur alles Jährliche vor Augen sah, was ihm selber noch bevorstehen könne. Und endlich nahm er meine Hand, und sagte:Ja, Grete, das ist eine schwere Frag', und ich denke, wir müssen

zum Ersten allemal beten, daß wir nicht in Versuchung fallen, und zum