wheodor Fontane in Berlin.
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„Fort? Und ich hott' es Dir doch verboten."
„Verboten?"
„Ja! Und nun sieh das Kind. Ein Wunder Gottes, wenn es uns am Leben bleibt. Und wenn es stirbt, so bist Du Schuld."
„Das darfst Du nicht sagen, Trud," antwortete Grete ruhig, während es um ihren Mund zuckte. „Schilt mich. Schilt mich, daß ich ging, das darfst Du, das magst Du thun. Aber Du darfst mich nicht schelten um des Kindes willen. Air dem. Kind ist nichts versäumt. Ich ließ es bei
Rechnen, und Rechne, was sag' ich, ist dreißig Jahr im Haus. Und war Kinder- muhmc bei Gerdt, und dann war sie's bei mir, und hat mich groß gezogen."
„Ja, das hat sie. Aber wozu? Du weißt es und ich weiß es auch. Und die Stadt wird es bald gering erfahren . . . Armes Ding Du! Aber 's ist Erbschaft."
„Sage nicht das, Trud. Nichts von ihr. Ich will davon nicht hören."
„Aber Du sollst es. Undankbare Kreatur!"
Grete lachte.
„Lache nur, Bettelkind! Denn das bist Du. Nichts weiter. Eine fahrende Frau war sie, und Keiner weiß, woher sie kam. Aber setzt kennen wir sie, denn wir kennen Dich. Eine fremde Brut seid Ihr, und der Teufel sieht Euch aus Euren schwarzen Augen."
„Das lügst Du." s
Trud aber, ihrer Sinne nicht mehr mächtig, erhob ihre Hand und schlug nach ihr.
Grete war einen Schritt zurückgetreten, und es flimmerte ihr vor den Augen. Dann, ohne zu wissen was sie that, griff sie nach dein über der Wiege hängenden Gürtel und schleuderte ihn der verhaßten Schwieger ins Gesicht. Diese, vor Schmerz aufschreiend, wankte und hielt sich mühsam an einem hinter ihr stehenden Tischchen, und Grete sah nun, daß die scharfen Ecken des langen silbernen Gehänges Trud's Stirn oder Schläfe schwer Verletzt haben mußten, denn ein Blutstreifcu rann über ihre linke Wange. Aber sie schrack vor diesem Anblick nicht zurück und hatte nichts als das doppelt selige Gefühl ihres befriedigten Hasses und ihrer errungenen Freiheit. Ja, Freiheit! Sie war dieses Haus nun los. Denn das stand fest in ihrer Seele, daß sie nicht länger bleiben könne. Fort. Gleich, llnd sie flog die Treppe hinab und über Flur und Hof in den Garten.
Ta wuchsen wieder die Himbeerbüsche wie damals, wo sie hier mit Baltin zwischen dem hohen Gezweig gestanden und über den Hänfling und sein Nest geplaudert hatte; aber ihre verwilderte Seele dachte jener Stunden stillen Glückes nicht mehr. Sie kletterte nur rasch hinaus und horchte gespannt, ob Valtin schon da sei. Er war es noch nicht. Und so sprang sie vom Zaun in den Zernitz'schm Garten hinunter und versteckte sich in der Laube.
Tenn daß er kommen würde, das wußte sie.
(Schluß folgt.)