Heft 
(1879) 26
Seite
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B. 6. Strousberg in Berlin.

Hier soll angedeutet sein, daß das preußische theilnahmlose Publicum sich schon früher auf dem Eisenbahngebiete hat irre leiten lassen.

Bei der von der Heydt'schen Politik hat Niemand eifriger, thütiger und fähiger mitgewirkt, als der jetzige Handelsminister Herr Maybach. Wie entwickelte sich nun die Sache weiter?

Während 12 Jahren ruhte unter von der Heydt der Privateisenbahnbau; inzwischen war die Erweiterung bestehender großer Bahnen, wie auch Staats­bauten, zwar fortgesetzt, aber nicht in einer den sich herausstellenden Bahn- Bedürfnissen des Landes entsprechenden Weise, und es entstand eine wahre Eisenbahnnoth, wenigstens in der Meinung des Publicums. Inzwischen entspann sich die Conflictzeit, und die Abgeordneten, die in den letzten Jahren die Regierung mit Baugeldern überschüttet haben, fanden damals nicht concrete, sondern ganz abstracte Gründe gegen Staatsbahnen und Staatsbauteu. Für Privatunternehmungen war kein Geld vorhanden, theils weil unsere Bankinstitute noch zu uubedeutend waren, sich selbst wesentlich zu betheiligen, theis als Folge der künstlich begünstigten Unpopularität von Privatbahnen, und hauptsächlich, weil die Gesetzesvorschristen der Art waren, daß darunter effectiv nicht zu bauen war. Unser Publicum hatte kein Verständnis; für Rentabilität und unsere Banquiers kein Capital fiir die Anlage. Die Erfahrung hatte gelehrt, daß alle Bahnen ihre Kinderjahre zu bestehen haben und die Gewohnheit der speculirenden Welt, Alles nur nach dem Course und nicht nach seinem innern Werth zu schätzen, verschlimmerte die Lage.

So blieb für die Herstellung von Privatbahnen nur der Weg übrig, das Nominal-Capital höher zu greifen und durch die General-Entreprisen dein Publicum Actien unter pari zu geben.

Unter dieser Form sind denn auch nach Abgang von der Heydt's Con- cessionen ertheilt und Bahnen gebaut worden. Die Regierung konnte kein Geld von den Kammern bekommen und sah ein, daß ein weiterer Stillstand auf dem Eisenbahngebiete absolut unmöglich war. Die den Minister leitenden Räthe, d. h. diejenigen, die guusi die Traditionen im Eisenbahn-Wesen repräsentirten, ließen sich denn auch vom Grafen Jtzenplitz, der absolut Bahnen wollte, bestimmen.

Trotz des so entstandenen Umschwunges in der Eisenbahnpolitik wurde nach meiner festen Ueberzeugung nicht einen Augenblick das schon erwähnte Ziel Seitens der Regierung außer Acht gelassen. Es wurde daher die Erweiterung aller großen bestehenden Bahnen und namentlich derjenigen, die unter Staatsverwaltung standen, begünstigt. Die Folge dieser Politik war, daß die Interessen der großen rentablen Bahnen geschädigt und das Ver­trauen im Publicum für Eisenbahnen dauernd zerstört worden ist; Beides ist aber der Weg zur Staatsverwaltung oder zum Staatsbesitz. Es hätte nichts geschadet, wenn neue kleine Bahnen nicht rentirten; darum konnte kein berechtigtes Vertrauen in Eisenbahnen verloren gehen und keine sicheren Hoffnungen getäuscht werden. Es waren solche Unternehmungen eben Speculationen, die sich erst ihre Position zu erwerben hatten.