Heft 
(1879) 26
Seite
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Zwei Fragen, die nicht brennen.

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Wenn aber die Köln-Mindener, die Anhalter, die Magdeburg-Halber- städter, die Bergisch-Märkische und andere Bahnen, die über jeden Zweifel erhaben dastanden, plötzlich in ihrer Rentabilität der Art zurückgingen, daß der solide Actienbesitzer, der dieselben als sichere Capitalanlagen und nicht als Specnlation besaß, häufig zwei Drittheil seines Vermögens verlor, dann ist ein chronischer Schaden und ein dauerndes Mißtrauen hervorgerufen, deren Folgen nicht zu übersehen sind. Im Vorhergehenden liegt der Hauptfehler, der im Eisenbahnwesen in letzter Zeit begangen ist, und dieser Fehler ist der Regierung ganz allein zu verdanken.

Die großen Gesellschaften waren beinahe gezwungen, jedenfalls angeregt, ihr einträgliches Bahngebiet zu Gunsten nicht rentabler Strecken zu erweitern. Bei der Magdeburg-Halberstädter Bahn ist es gradezu nachweisbar, wie. von Coneessionirung der Lehrter Strecke an, dieser Bahn Concessionen gegeben worden sind, die dem ursprünglichen Unternehmen nur schaden konnten und welche sich nur erklären lassen, wenn man voraussetzt, daß die spätere Ueber- nahme Seitens des Staates von Anfang an in's Auge gefaßt war, allerdings mit Verlust für die Betheiligten und zum zeitigen Werthe! Wie die Ange­legenheit steht, wird der Staat und die Speculation verdienen; die Direction, eine Behörde, die bei unserer Gesetzgebung überhaupt eine falsche Position einnimmt, wird nicht zu kurz kommen, und das Ziel wird erreicht.

Wie den großen bestehenden Bahnen jeder Vorzug bezugs Concessionen und Bedingungen gegeben, so ist den neuen Gesellschaften Alles verweigert worden, was sie hätte lebensfähig machen können. Der Bau wurde überall dadurch vertheuert, daß gleich bei Herstellung der Bahnen, wo sich die Bedürfnisse noch nicht herausgestellt hatten und die Capitalsbeschaffung kost­spielig war, Anlagen verlangt wurden, die keine Rente bringen konnten und das Baucapital unnütz erhöhten. Zu Guusten von Adjacenten, die keine ent­sprechenden Gegendienste leisteten, wurde häufig die Bahnlänge vergrößert und deren Richtung beeinflußt.

Berlin-Görlitz ist aus diesem Grunde 2 Meilen länger, als nothwendig, und deshalb beherrscht diese Bahn nicht die Strecke Waldenburg-Berlin.

Hier ist nicht der Ort, diese Fragen weiter zu behandeln es genügt, daß den neuen Bahnen Alles versagt wurde, was sie hätte lebensfähig machen können, wie den alten Alles gegeben wurde, was deren Gebiet zwar erweiterte, aber ihre Prosperität untergraben mußte.

Sei dem indessen, wie ihm möge es sind eine Zahl Bahnen ent­standen, die für das Land, für den Verkehr vortheilhaft sind, die aber die gehegten Erwartungen bezugs Renten nicht erfüllt haben, und dieses Hut neben der Entwerthung der sogenannten schweren Bahnpapiere und der Finanz- Krisis überhaupt, zu eiuer Mißstimmung gegen Privatbahnen und zu einer Stimmung für Staatsbahnen geführt. Diesen Augenblick benutzt die Negierung ihr Staatsbahnproject vorzubringen und durch ganz oberflächliche und generelle Andeutungen, daß einheitliche Tarife und Staatsbahnen den.