Die Eselin.
nieinem Leben diese grotesken Laute nie so leidenschaftlich und in so seltsam klagender Modulation ausstoßen hören, wie in jenem Augenblick.
Das Wehgeschrei kam von der anderen Seite des Hauses. Als ich um die Ecke bog, sah ich ans der Wiese, die hier wieder dicht an die Mauer herantrat, eine idyllische Gruppe in dem jungen Grase hingekauert, ein altes Weib, nur mit einer zerrissenen Jacke von geblümtem Kattun und einem groben wollenen Rock bekleidet, ein graues Tuch um den Kopf gewickelt, unter welchem die schwarzen Haare, schon reichlich mit grauen Streifen durchzogen, unordentlich hervorhingen; neben ihr auf den Boden hingestreckt ein junger Esel von auffallend schlanken Gliedern, das Fell fast silbergrau, auf dem Rücken durch einen schwarzen Streifen geziert, der sich bis an den Kops hinaufzog, wahrend die Ohren gleichfalls dunkel eingesäumt waren. Ein Staatsthier, das seinem Geschlecht alle Ehre machte und auf einer Thierschau sicherlich einen Preis bekommen hätte. Leider sah ich aber auch
sogleich die Ursache, weshalb das arme Geschöpf so besonders wehmüthig
seinem gepreßten Herzen Lust machte. Eine handgroße Stelle am linken Schulterblatt war durch eine schwärende Wunde verunstaltet, welche die Alte eben bemüht war, mit nassen Umschlägen zu behandeln, obwohl das wunde Thier sich äußerst unruhig verhielt und mit heftigem Zucken und Stampfen der Vorderbeine ihre barmherzige Hilfe abzuwehren suchte. In einem niedrigen Scherben an ihrer Seite hatte das Weib irgend eine dunkle Flüssigkeit, mit welcher sie den Lappen tränkte, um die Wunde zu kühlen. Sie fuhr auch in dieser Beschäftigung gelassen fort, als ich vor sie hin trat/ „Guten Abend, Alte", sagte ich. — — Sie nickte nur verdrossen mit dem Kopf. — Ich sing an, von der Wunde zu reden, fragte, wie es dazu
gekommen, was für eine Cur sie dagegen brauche. — Keine Antwort. Ich
kam aus den Gedanken, sie verstehe kein Deutsch. Wie ich mich aber eben abwende und nur noch vor mich hin sage: Schade um das schöne Thier! — blitzen mich plötzlich ihre grauen Augen unter den buschigen schwarzen Brauen so gewaltig an, daß das ganze verwelkte, lederfarbene Gesicht dadurch um zehn Jahre verjüngt wurde.
„Ja wohl, Herr!" sagte sie in einem merkwürdig reinen Deutsch, nur mit ganz leisem böhmischem Anflug; „Schade ist's freilich drum, und schön ist die Minka auch. Wenn Sie sie nur gesehen hätten, ehe sie so verschändet worden ist, wie sie springen konnte, fast wie ein junges Pferd, und ihre Haut war wie Sammt und Seide. Nun liegt sie schon an die sieben Monate so miserabel auf dem Bauch, und wenn sie sich auf ihre Beine stellt — 's ist herzbrechend, wie sie einknickt mit den Knieen, arme Creatur! Wozu taugt sie noch? Life Lamitz, sagte noch gestern erst der Fostwart, wie er vorbeikam und sah, was ich für Plage mit dem Thier hatte, — denn auch sein Bischen Futter muß man ihm jetzt vor's Maul bringen — Ihr solltet sie abthun lassen, sagt' er; der Schinder gibt Euch einen Thaler für die Haut, Aber pfui! sagt' ich; ein Vieh ist's nur, aber es soll wie'n