58 - Theodor Fontane in Berlin. -
Und sie wandte sich noch einmal und grüßte mit leichter Bewegung ihrer Hand.
Er sah ihr nach, und ein Gefühl von Schreck und ungeheurer Verantwortlichkeit über ein durch ihn gestörtes Glück überkam ihn und erfüllte plötzlich sein ganzes Herz. Was soll werden? fragte er. Aber dann wurde der Ausdruck seiner Züge wieder milder und heitrer, und er sagte vor sich hin: „Ich bin nicht der Narr, der von Engeln spricht. Sie war keiner und ist keiner. Gewiß nicht. Aber ein freundlich Menschenbild ist sie, so freundlich, wie nur je eines über diese arme Erde gegangen ist . . . Und ich liebe sie, viel, viel mehr, als ich geglaubt habe, viel, viel mehr als ich je geglaubt hätte, daß ich lieben könnte. Muth, Melanie, nur Math. Es werden schwere Tage kommen, und ich sehe sie schon zu Deinen Häupten stehen. Aber mir ist auch, als klär' es sich dahinter. O, nur Muth, Muth!"
Eine halbe Woche danach war Sylvester und ans dem kleinen Balle, den Gryezinskis gaben, war Melanie die Schönste. Jaeobine trat zurück und gönnte der älteren Schwester ihre Triumphe. ,,Superbes Weib. Aegyptische Königstochter" schnarrte Rittmeister von Schnabel, der wegen seiner eminenten Ulanen-Figur aus der Provinz in die Residenz versetzt worden war und von dem Gryczinski zu sagen Pflegte: „Der geborene Prinzessinnentänzer.
Nur schade, daß es keine Prinzessinnen mehr giebt".
Aber Schnabel war nicht der einzige Melanie-Bewunderer. In der letzten Fensternische stand eine ganze Gruppe von jungen Offizieren: Wensky von den Ohlaner kaffeebraunen Husaren, enragirter Sportsmann und Steeple- Chase-Reiter (Oberschenkel dreimal an derselben Stelle gebrochen), neben ihm Ingenieur-Hauptmann Stiffelius, berühmter Rechner, mager und trocken wie seine Gleichungen, und zwischen beiden Lieutenant Tigris, kleiner, tropischer Füsilier-Offizier vom Regiment Zanche-Belzig, der aus Gründen, die Niemand kannte, mehrere Jahre lang der Pariser Gesandtschaft attachirt gewesen war und sich seitdem für einen Halbfranzosen, Libertin und Frauenmarder hielt. Junge Mädchen waren ihm „ridikül". Er schob eben, trotzdem er wahre Luchsaugen hatte, sein an einem kurzen Seidenbande hängendes Pince-nez zurecht und sagte: „Wensky, Sie sind ja so gut wie zu Haus hier, und eigentlich Hahn im Korbe. Wer ist denn dieser Prachtkopf mit den Granatblüthen? Ich könnte schwören, sie schon gesehen zu haben. Aber wo? Halb die Herzogin von Mouchy und Halb die Beauffremont. IM tsint clo Z'S st cls ross, st tont a kalt clistlnA'nss".
„Sie treffen es gut genug, mon oster Mg-ris", lachte Wensky. „'s ist die Schwester unsrer Gryczinska, eine gcborne de Caparoux".
„Drum drum auch. Jeder Zoll eine Französin. Ich konnte mich nicht irren. Und wie sie lacht".