L'Adultera.
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Vor. Er las einen Brief, den er, als sie eintrat, bei Seite schob. Und er ging ihr entgegen und nahm ihre Hand und führte sie nach ihrem Sophaplatz.
„Du warst fort?" sagte er, während er sich wieder setzte.
„Ja, Freund. In der Stadt ... In der Kirche".
„In der Kirche! Was hast Du da gesucht?"
„Trost".
Er schwieg und seufzte schwer. Und sie sah nun, daß der Augenblick da war, wo sich's entscheiden müsse. Und sie sprang auf und lief auf ihn zu und warf sich vor ihm nieder und legte beide Arme auf seine Knie: „Sage mir, was es ist? Habe Mitleid mit mir, mit meinem armen Herzen. Sieh, die Menschen haben mich aufgegeben und meine Kinder haben sich von mir abgewandt. Ach, so schwer es war, ich hätt' es tragen können. Aber daß Du Dich abwendest von mir, das trag ich nicht".
„Ich wende mich nicht ab von Dir".
„Nicht mit Deinem Auge, wiewohl es mich nicht mehr sieht, aber mit Deinem Herzen. Sprich, mein Einziger, was ist es? Es ist nicht Eifersucht, was mich quält. Ich könnte keine Stunde leben mehr, wär' es das. Aber ein anderes ist es, was mich ängstigt, ein anderes, nicht viel Besseres: ich habe Deine Liebe nicht mehr. Das ist mir klar, und unklar ist mir nur das Eine, wodurch ich sie verscherzt. Ist es der Bann, unter dem ich lebe und den Du mit zu tragen hast? Oder ist es, daß ich so wenig Licht und Sonnenschein in Dein Leben gebracht und unsere Einsamkeit auch noch in Betriebsamkeit verwandelt habe? Oder ist es, daß Du mir mißtraust? Ist es der Gedanke an das alte Heute Dir und morgen mir. O sprich. Ich will Dich nicht leiden sehen. Ich werde weniger unglücklich sein, wenn ich Dich glücklich weiß. Auch getrennt von Dir. Ich will gehen, jede Stunde. Verlang' es und ich thn es. Aber reiße mich aus dieser Ungewißheit. Sage mir, was es ist, was Dich drückt, was Dir das Leben vergällt und verbittert. Sage mir's. Sprich".
Er fuhr sich über Stirn und Auge, dann nahm er den bei Seite geschobenen Brief und sagte: „Lies".
Melanie faltete das Blatt auseinander. Es waren Zeilen vom alten Nubehn, dessen Handschrift sie sehr Wohl kannte. Und nun las sie: Frank
furt, Ostersonntag, den 18 . Ausgleich gescheitert. Arrangire was sich arrangiren läßt. In spätestens acht Tagen muß ich unsere Zahlungseinstellung aussprechen. M. R. . ."
In Rnbehns Mienen ließ sich, als sie las, erkennen, daß er einer neuen Erschütterung gewärtig war. Aber wie sehr hatte er sie verkannt, sie, die viel, viel mehr war, als ein blos verwöhnter Liebling der Gesellschaft, und eh ihm noch Zeit blieb über seinen Jrrthum nachzudenken, hatte sie sich schon in einem wahren Freudenjubel erhoben und ihn umarmt und geküßt und wieder umarmt.
„O, nur das! . . . O, nun wird Alles wieder gut . . . Und was