L'Adultera.
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Bäumen hinschritten, manches geändert und zwar zum Guten geändert. Wohl hieß es auch jetzt noch, wenn sie den alten Invaliden unter ihrerseits devotem Gruße passirten „daß sie der neuen Freundschaften noch nicht sicher genug seien, um die bewährten alten aufgeben zu können", aber diese neuen Freundschaften waren doch wenigstens in ihren Anfängen da. Man kümmerte sich wieder um sie, ließ sie gesellschaftlich wieder aufleben, und selbst solche, die bei dem Zusammenbrechen der Rubehnschen Finanz-Herrlichkeit nur Schadenfreude gehabt und je nach ihrer klassischen oder christlichen Bildung und Beanlagung von „Nemesis" oder „Finger Gottes" gesprochen hatten, bequemten sich jetzt, sich mit dem hübschen Paare zu versöhnen „das so glücklich und so gescheidt sei und nie klage und sich so liebe". Ja, sich so liebe. Das war es, was doch schließlich den Ausschlag gab, und wenn vorher ihre Neigung nur Neid und Zweifel geweckt hatte, so schlug jetzt die Stimmung in ihr Gegentheil um. Und nicht zu verwundern! War es doch ein und dasselbe Gefühl, was bei Verurtheilung und Begnadigung zu Gerichte saß, und wenn es Anfangs eine sensationelle Befriedigung gewährt hatte, sich in Indignation zn stürzen, so war es jetzt eine kaum geringere Freude von den „Jnssparables" sprechen und über ihre „treue Liebe" sentimentalisiren zu können. Eine kleine Zahl Esoterischer aber führte den ganzen Fall auf die Wahlverwandtschaften zurück und stellte wissenschaftlich fest, daß einfach seitens des stärkeren und deshalb berechtigteren Elements das schwächere verdrängt worden sei. Das Naturgesetzliche habe wieder 'mal gesiegt. Und hiermit sah sich denn auch der einen Winter lang auf den Schild gehobene Van der Straaten abgefunden und theilte das Schicksal aller Saison-Lieblinge, noch schneller vergessen als erhoben zu werden. Ja der Spott und die Bosheit begannen jetzt ihre Pfeile gegen ihn zu
richten, und wenn des Falles ausnahmsweise noch gedacht wurde, so hieß es: „Er hat es nicht anders gewollt. Wie kam er nur dazu? Sie war
siebzehn! Allerdings, er soll einmal ein liow gewesen sein. Nun gut. Aber wenn dem „Löwen" zn wohl wird . . . ." Und dann lachten sie und freuten sich, daß es so gekommen, wie es gekommen.
Ob Van der Straaten von diesen und ähnlichen Aeußernngen hörte? Vielleicht. Aber es bedeutete ihm nichts. Er hatte sich selbst zu skeptisch und unerbittlich durchforscht, als daß er über die Wandlungen in dem
Geschmacke der Gesellschaft, über ihr Götzen-schaffen und Götzen-stürzen auch nur einen Augenblick erstaunt gewesen wäre. Und so durste denn von ihm gesagt werden „er hörte was üian sprach, auch wenn er es nicht hörte". Weg über das Urtyeil der Menschen, galt ihm nur eines eben so wenig oder noch weniger: ihr Mitleid. Er war immer eine selbstständige Natur
gewesen, frei und fest, und so war er geblieben. Und auch derselbe
geblieben in seiner Nachsicht und Milde.
Und der Tag kam, wo sich's zeigen und auch Melanie davon erfahren sollte.