Issue 
(1880) 40
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- Lin Blick von der politischen Warte. sOs

der Bevölkerung sind die zu finden, welche jene Pflichten erfüllen wollen? Der Wohlstand im Lande ist verhältnißmäßig nicht groß, zumal nicht in den wegen ihres Umfanges gewichtigen östlichen Provinzen. Wo er hervortritt, wird er nicht immer mit Freuden empfangen, sondern mit scheelen Blicken, mit Mißtrauen betrachtet. Die gute Gesellschaft der Kreisstädte des Ostens seht sich im wesentlichen ans den Beamten zusammen; der Offizier der Garnison bildet eine willkommene Zugabe, Arzt und Apotheker haben legitimen Zutritt, der Handelsstand ist nur in wenigen Mitgliedern zugelassen, und mehr geduldet als herbeigerufen. So war es vor zwei Decennien auch noch in den: mittleren Abschnitte des Landes; nur der in jeder Beziehung glücklicher situirte Westen hebt sich seit lange vorteilhaft ab. Der gebildete Beamtenstand vertritt, wenn man von jenen westlichen Landstrichen und den großen Städten absieht, noch heute die Intelligenz des Landes. Seine Mit­glieder überwiegen in den Parlamenten, und führen durch ihre zahlreiche Anwesenheit den Beweis, daß die bureaukratische Regierungsform dem Lande noch heute geläufiger ist, als die parlamentarische. Die Bureaukratie übt ihre Herrschaft in beiderlei Gestalt: hierarchisch geordnet repräsentirt sie das alte Regime, ans Wahlen hervorgegangen vertritt sie die neue Zeit. Niemand ist logischer Weise weniger zur Mitwirkung am parlamentarischen Regiment berufen, als die Beamten des Staates; und doch vermag nur ein kleiner Kreis mit ihnen in der Erfüllung dieses Berufes zu concurriren. Kein Wunder, daß solche Parlamente aus sich heraus nur den Geist entwickeln, den sie den Traditionen ihrer Mitglieder gemäß begreifen. Theoretische Kenntnisse für Fragen der Justiz und Verwaltung sind im Ueberfluß vorhanden, Ver- ständniß für große praktische Fragen, insbesondere für die wirtschaftlichen Interessen fehlt in überraschendem Maße. Die Erwerbsthätigkeit des Volkes wird in ihrer Bedeutung nur von einem geringen Theile gewürdigt; die materiellen Erfolge der Einzelnen von einem großen Theile unfreundlich beurtheilt. Freilich machen die Handel und Industrie treibenden Bewohner der Städte neuerdings bemerkenswerte Anstrengungen, um auch in der Politik Stellung zu nehmen; aber sie haben den schweren Kampf mit einer tief eingewurzelten Abneigung der durch die bisherigen Führer regulirten öffentlichen Meinung noch nicht ansgekämpft. Die ächte reiche Aristokratie ist wenig zahlreich; um so größer an Zahl ist der niedere Adel, welcher von vortrefflichen Traditionen erfüllt, die Stellen in der Civilverwaltung und der Armee mit Zähigkeit behauptet. Und selbst die Mitglieder der reichen Aristokratie kennen für ihre Söhne meistens kein anderes Bildungsmittel als die Armee. Im Kreise eines Offiziercorps, in welches man von der Schulbank nach erlangter militärischer Ausbildung eintritt, werden die Jugend­jahre verbracht bis zu dem Zeitpunkte, wo Heirath und die Uebernahme eines väterlichen Landgutes dem lustigen Treiben der Garnison ein Ziel setzt. Während die Söhne der englischen Lords in Oxford das Staatsrecht

Englands stndiren und sich Ln der Beredsamkeit üben, um dann auf mehr-