Issue 
(1880) 40
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Ludwig Knaus.

reichste Zeit verbracht. Als er vor einer Reihe von Jahren nach Berlin zog, um gleichzeitig als Vorstand des ersten der an unserer Akademie begründeten Meister-Ateliers thätig zu sein, wurde vielfach bezweifelt, daß er sich hier aus die Dauer werde heimisch fühlen können. Knaus hat nicht solche Eigenschaften, welche einem noch unbekannten Manne in dem hastigen Treiben der deutschen Hauptstadt Stellung und Ansehen' durchsetzen. Er ist

viel zu ernst mit sich und seinen künstlerischen Zwecken beschäftigt, um sich

in Wettkämpfe des Ehrgeizes einzulassen. Aber da er bei seiner Nieder­lassung in Berlin der gefeierte Mann schon war, als den wir ihn kennen und lieben, so vermag er auch nur hier ganz nach Gebühr gewürdigt zu werden. Wenn sein Atelier nicht stark frequentirt ist, so wird er selbst sich darüber am wenigsten Wundern; denn eine so individuelle Kunst wie die

seinige, ist nicht im gewöhnlichen Sinne lehrhaft. Ihre Wirkung liegt im Beispiel: gute Bilder zu malen, das ist die Summe aller Kunstlehre, weil dadurch nicht nur der Lernende am besten angewiesen, sondern auch das

Publikum zu richtigen, und darum der künstlerischen Production förderlichen Anforderungen erzogen wird.

Zur Beruhigung der zweifelnden Gedanken, die jüngst einmal in der Hauptstadt über den dauernden Besitz eines solchen Mannes umgingen, sei darauf hingewiesen, daß er sich ganz vor Kurzem erst ein eigenes Hans in Berlin gebaut hat. Dadurch ist ein Bund mit der Scholle geschlossen, aus den Nur stolz sein können, und es sei diesen Zeilen gestattet, den verehrten Künstler als Berliner Grundbesitzer mit herzlichem Glückwunsch zu begrüßen. Aber er wohnt nicht blos unter uns, sondern er versucht es sogar, die Samen­körner seiner reichen Phantasie in den märkischen Sandboden zu werfen, indem er Berliner Eindrücke auf seiner Staffelei festhält. Das ergötzliche Bild Salomonische Weisheit" und das dazu gehörigeDer erste Erfolg", die beide auf der Pariser Ausstellung waren, sind echt berlinischen Ursprungs, wenn sie auch dem Gestaltenkreise der absoluten Kosmopoliten, dem Arbeits­bienenstande der großstädtischen Judeuschaft entstammen. Zu ihnen gesellt sich ein drittes Stück, das meines Wissens hier gar nicht öffentlich gesehen worden ist:Der Socialdemokrat". Bin ich recht unterrichtet, so ist er mit

der Elite seiner Urbilder übers Meer gegangen. Kein Reiz der Schönheit machte diese Bilder anziehend, und dennoch waren sie es in hohem Grade als Products eines wahrhaft künstlerischen Humors, der hier das an sich Häßliche durch Vorhaltung des Spiegels zum Komischen macht, dort einen Winkel banausischer Existenz mit dem Lichte treuherziger Schilderung be­leuchtet und den Vorrath auserlesener Kunstmittel daransetzt, um auch dem Klein-Menschlichen einen Werth zu verleihen. Und das ist eine gute That, ganz abgesehen von der unvergleichlichen Leistung. Und wir wollen stolz genug sein, es nicht für Zufall zu halten, daß nebenher gerade unter uns noch ein paar Darstellungen entstanden sind, in denen sich der reine Schön­heitssinn des Künstlers eine besondere Güte gethan hat: eine schlummernde