Heft 
(1880) 40
Seite
140
Einzelbild herunterladen

l^o - Rudolf 2eydel in Leipzig. -

als solcher, sondern in der lebendigen, harmonischen Krastentfaltung unserer Seele ihren Grund hatten, und in der liebevollen Hinneigung, in der sympathischen Verschmelzung mit Anderen, denen unser Pflichtleben gilt. Diese und andere Seelengüter sind es, von denen wir wohl glauben möchten, daß eine Fülle des Reichthums in ihnen liegt, welche das Kreuz des Lebens beinahe ganz überwachsen kann. Sollte etwa gerade daraus unser moderner Pessimismus entstanden sein, daß jene dem einstigen poetischen Idealismus gefolgte Zeit der realistischen Arbeit allzu gründlich aufgeräumt hat mit der Pflege der Seelengüter, die einem edlen, tiefen Gemüthsleben verdankt werden? Rastlose Bethätigung nach Außen muß das innere Leben aushöhlen und durch Ver­scheuchen jedes glücklichen stillen Moments einen Gesammtzustand von Unbe­friedigung und Mißbehagen schaffen. Könnten wir es dahin bringen, daß ein reiches, seelenvolles Innenleben wieder den hohen Rang bei uns ein­nähme, den es zur Zeit unsrer größten Dichter hatte, so würde, meine ich, der Faden leicht wieder gefunden werden, der, wie es scheint, jetzt abgerissene Faden, dessen Fortspinnung durch die Jahrhunderte seit der Reformation sich in der Geschichte der Lutherrose uns im Kleinen abspiegelte.