Nord und Süd.
Der Verfasser ist an die Lösung seiner Aufgabe mit unverkennbarem Geschick hecangetreten und insbesondere der cultur- geschichtlichen Bedeutung Eobans ist er mehr als irgend einer seiner Vorgänger gerecht geworden. Er hat das volle Bild von dem reichen Geistesleben eines Mannes geliefert, der ein Decennium hindurch an der Spitze eines großen Humanistenbundes gestanden, für die wissenschaftliche, nationale und religiöse Wiedergeburt seines Vaterlandes in weiten Kreisen gewirkt hat, der endlich unter meist kläglich zerrütteten Verhältnissen die von dem ganzen Jahrhundert angestaunten metrischen Ueber- setzungen des Theokrit, der Ilias, des Ecclesiastes und der Psalmen schuf. Die Ausstattung des Buches ist vornehm.
Rabelais, Gavgantua und Pantagruel.
Aus dem Französischen von F. A.
Gclbcke. 2 Bände. 8. 495 und 428 S.
Leipzig, 1880, Bibliographisches Institut.
Gebunden.
Professor Gelbckc hat sich durch diese neue Uebertragung von Rabelais' unvergänglichem Werke ein nicht geringes Verdienst erworben. Die erste deutsche Ge- sammtübersetzung des „Gargantua und Pantagruel", ist eine in ihrer Art unübertroffene und besonders durch ihre Anmerkungen überaus wcrthvvlle Arbeit. Sie sprach indessen durch den, wenn auch mit Ansicht und Gewandtheit dnrch- geführten archaisirenden Stil weniger an und ist übrigens längst aus dem Buchhandel verschwunden. (Sie erschien in den Jahren 1832—1839 in einem Umfange von etwa 2500 Seiten, wovon 1500 auf die Anmerkungen entfallen). Dies hat sich als eine Lücke fühlbar gemacht, weil nur Wenigen die Lectüre des Originals möglich ist; die veralteten Wort- und Satzformen an sich, dann aber auch die Kühnheit, womit Rabelais den Sprachschatz bis zu seiner untersten Hefe durchwühlt und die geniale Neubildung und Umbildung von Wörtern bieten Schwierigkeiten, die nur durch speeielle Studien überwunden werden können. Professor Gelbcke in St. Petersburg, der an diese Arbeit eine lange Reihe von Jahren gewendet, ist uns bereits durch treffliche U bertragungen von Sternes „Tristram Shandy" und von Shakespeares „Sonetten" bekannt. Seine neueste Arbeit verdient neben den Meisterwerken der Ucbersetzungs- kunst genannt zu werden, neben seinem Vorgänger Regis, neben Baudissins Nach
dichtungen und neben Erirst Dohms , genialer Uebertragung der Fabeln Lafontaines. Er unternahm die Ueber- ! setzung des Rabelais erst in vorgerücktem ! Alter. Wir möchten das Buch auch nur j in den Händen gereifter Männer sehen, i dort wird es seine rechte Würdigung ^ finden; denn sein unerschöpflicher Humor ! kann nur zu voller Wirkung gelangen,
I wo man dem geistvollen Pfarrer von Mendon die rücksichtslosen Ausdrücke nicht als Verbrechen anrechnet. Daß Gelbcke diese nicht umschrieben oder gar weggelassen hat, sei ihm als ein besonderes Verdienst ungerechnet. — Die Ausstattung der beiden Bände ist durchaus anständig.
Emil Palleske, Die Kunst des Vortrags. 8. LIV. u. 343 S. Stuttgart 1880. Karl Krabbe. 3.60
Inhalt: Jugendgeschichte meines
„8t". — Jugenderinnerungcn einer
Lunge. — Die Phantasie. — Ueber den Werth musikalischer Kunstübnngen. — Sprachliche Kunstnbung. Vorlesen. — Die Stimme. — Die Aussprache. — Von der Betonung. — Rccitiren; Dcclamircn. — Takt und Maß. — Vortrag von lyrischen und epischen Dichtungen; Balladen. — Vorlesen von Dramen. — Lesen mit vertheilten Rollen. — Die deutsche Bühne als Leseschule. — Das Seminar als Leseschule. — Römische und Reuter-Vorlesungen.
Man weiß, daß Emil Palleske zu den besten und erfolgreichsten Vorlesern der neueren Zeit gehört, auf dem besonderen Gebiete zu den berufensten Nachfolgern Ludwig Tiecks und Karl von Holteis. Sein Werk, die „Kunst des Vortrags" gehört somit zu den Büchern, welche aus dem Leben heraus geschrieben sind. Die Erfahrungen, die der Verfasser während einer fast dreißigjährigen Ausübung seines Künstler- und Vorleserbcrufs gesammelt hat, sind hier in allgemein verständlicher Form ausgesprochen. Sein Bestreben war, die Hauptsachen, welche etwa in einem System der Vortragskunst abgehandelt werden mußten, in spielender Form so vorzutragen, daß dieses Buch zu der höheren Unterhaltungslectüre zu rechnen ist. Er will vor Allem den Gegenstand als einen Zweig der Aesthetik behandelt sehen und sucht eben deshalb auch eine ästhetische Form für dieses Thema, damit der Leser nicht an dieser Form vermisse, was das Buch als Ausgabe der Vvrtragskunst predigt. Es ist für Jeden