VI
Einleitung zu den ersten vier Bänden.
Kenntniss, nämlich wegen der Werke, was giebt es, das wichtiger und lehrreicher wäre als die Betrachtung eines ungewöhnlichen Menschenlebens? Will man ein Menschenleben kennen, so muss man freilich in alle Winkel sehen und nichts für gering oder gleichgiltig erachten. Das ist nöthig, und unsere Wissbegierde ist nicht eitle Neugierde; die Reden von„Indiscretion“ u. s. w. haben höchstens Mitlebenden gegenüber einen Sinn, werden um so thörichter, je wichtiger der Mann und sein Werk uns ist. Diese Bedeutung hat das Wort Voltaire’s, das an der Spitze der Biographie universelle steht: On doit des 6&gards aux vivants; on ne doit, aux morts, que la verite. Ein neuerer Schriftsteller hat gesagt, das hiesse, man solle nur auf Todte schimpfen, ich glaube aber nicht recht, dass Voltaire es so gemeint habe.
Wenn nun aber zur Erkenntniss der Werke und des Lebens ein Urtheil über die Person nöthig ist, wer soll urtheilen? Wer ist befähigt, über Menschen ein rechtschaffenes Urtheil abzugeben? Ei natürlich Der, der die Biographie schreibt! Man sagt, dass Gott Dem, dem er ein Amt giebt, auch den nöthigen Verstand gebe. So wird es hier wohl auch sein. Im Ernste kann man darauf hinweisen, dass der redliche Biograph durch seine Vorarbeiten, durch das Studium von Schriften, Acten, Briefen u. s. w. vor allen Anderen Vorsprung gewinne, und dass seine Sachkenntniss eben ihn zum Urtheile befähige. Das ist ja in vieler Hinsicht richtig, aber ist Sachkenntniss und Menschenkenntniss dasselbe? Man wird erwidern, ein gebildeter Mann habe
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