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Judenproblem / von I. Breuer
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lem" zeigt dies ganz deutlich. Es ist wahrlich kein Zufall, daß das Judentum statt eines Luther gerade einen Mendels- sohn hervorgebracht hat. Welches eigentlich die religiöse Überzeugung des Mendelssohn war, läßt sich mit Sicherheit gar nicht sagen. Es sprechen viele Anzeichen dafür, daß sie sich von der Überzeugung der damaligen Juden wesentlich unterschieden hat. Allein Mendelssohn sah schlechterdings keine Möglichkeit, wie er auf Grund seiner Überzeugung eine theoretisch zu billigende Reform des Judentums hätte vornehmen können. So unhistorisch er sonst als Kind der Aufklärung in wissenschaftlichen Dingen sah und empfand:

in jüdischen Dingen hatte er das muß zu seinem Ruhme unbedingt festgestellt werden ein sehr tiefes historisches Verständnis. Über die Auffassung einer Lehre läßt sich freilich streiten; sie ist in erster Reihe Sache der Überzeugung, also der Persönlichkeit, die ein unerforschliches Geheimnis ist und bleibt. Aber einem mit autoritativem Gehorsams­anspruch den einzelnen gegenübertretenden Gesetz kann die persönliche Überzeugung als solche ganz und gar nicht bei- kommen. Nickt an die Überzeugung wendet sich das Gesetz, sondern an den Willen. Es will zunächst und vor allem befolgt sein; alles andere wird sich finden. Hier gibt es tat- sächlich nur ein Entweder-Oder. Man anerkennt entweder die Autorität des Gesetzes oder man leugnet sie . Und die Leugnung der Gesetzesautorität ist selbst dann vorhanden, wenn man etwa hinterher aus freier Überzeugung zur Be­folgung des Gesetzesinhalts sich angeregt fühlt. Dieses Entweder-Oder hat Mendelssohn mit bemerkenswerter Klar­heit erfaßt. Er hat sich für die Gesetzesautorität entschieden und hat dem Gesetz gegeben, was des Gesetzes ist. Denn er wollte Jude bleiben.

Die nichtorthodoxen Juden, die in Deutschland die Mehrheit bilden, haben dem Gesetz des Judentums den Ge­horsam gekündigt. Sie haben damit dem Judentum als Gesetzesreligion tatsächlich den Rücken gekehrt. Der wesent­liche Unterschied zwischen den orthodoxen und den nicht­orthodoxen Juden ist überhaupt kein dogmatischer, wie etwa der Unterschied zwischen den orthodoxen und den liberalen Protestanten. Der Unterschied ist vielmehr im höchsten Sinne ein praktischer. Das ganze Leben des

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(2) Judenproblem.