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Judenproblem / von I. Breuer
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bau, sondern Zerstörung; ist nicht Reform, sondern Anarchie.

Von einer Bekenntniseinheit kann somit bei den deutschen Juden auch nicht die leiseste Rede mehr sein. Die orthodoxen Juden bekennen sich zum Gesetz, und das Bekenntnis der nichtorthodoxen Juden läßt sich überhaupt nicht formulieren, da es ein nichtorthodoxes Bekenntnis als solches bis zum heutigen Tage überhaupt nicht gibt.

Wenn jemand in Deutschland, etwa bei Gericht, angibt, Jude zu sein, so weiß man daher schlechterdings noch gar nicht, welcher und was für einer Religion er eigentlich an­gehört. Selbst wenn er hinzufügt, er sei liberaler Jude, hat er sich über die Art seines Bekenntnisses noch in keiner Weise ausgelassen. In der BezeichnungJude" liegt in religiöser Hinsicht höchstens die Verneinung aller anderen bekannten und anerkannten Religionen. Mehr nicht.-

Der mangelnden Bekenntniseinheit entspricht aber voll­kommen die mangelnde Einheit der Organisation. Wenn ein Christ sich als evangelisch bezeichnet, so mag" er zwar persönlich eine ganz abwegige religiöse Überzeugung haben: immerhin gibt er damit regelmäßig zu erkennen, daß er einer der evangelischen Landeskirchen angehört. Das gleiche gilt für den Katholiken hinsichtlich der päpstlichen Weltkirche. Der Jude aber, zum mindesten der preußisch-hessische Jude, besagt auch in organisatorischer Hinsicht mit seiner Erklärung nichts, schlechterdings nichts. Wenn er gemäß dem preußisch­hessischen Austrittsgesetz aus seiner Ortsgemeinde ausgetreten ist, so gehört er unter Umständen überhaupt keiner jüdisch­religiösen Organisation an, und wenn er außerdem seiner religiösen Überzeugung nach vollkommener Skeptiker ist, so stellt sich das immerhin beachtenswerte Ergebnis heraus, daß seine gerichtliche Erklärung, Jude zu sein, eines irgend­wie gearteten religiösen Inhalts sowohl dem Bekenntnis wie auch der Organisation nach überhaupt vollkommen entbehrt.

Aber selbst wenn er irgendeiner Gemeinde noch an­gehören sollte, spricht sich seine Erklärung über die Eigen­art seines Bekenntnisses nicht im mindesten aus. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß gerade die Groß­gemeinden religiös durchaus neutral sind, zum Judentum

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