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Judenproblem / von I. Breuer
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Band um sie geschlungen, daß all die Jahre der Zerstreuung ihrer nationalen Existenz nichts haben antun können und sie heute noch, nach zwei Millennien, dem Akte der Gewalt in ewig frischem Hasse fluchen, der ihnen, den ewig jungen, dem Am Olam, Staat und Land geraubt. Und wenn in unseren Tagen der Weltkrieg, der die klägliche Unzuläng­lichkeit diplomatischer Handhabung der geschichtlichen Menschenverhältnisse sonnenklar erwiesen hat, das Natio- nalitätenp rinzi p zum her rschenden Maßstab beim Aufbau der zertrümmerten Staatenordnung erhebt und da­mit zur allgemeinen Anerkennung zu bringen scheint, daß nur die Geschichte Einheiten schaffen kann und an den Menschen nur liegt, ehrfürchtig das Leben zu schonen, das die Geschichte gespendet hat: siehe, da treten auch Juden auf den Plan und fordern, nach zwei Jahrtausenden, Re­vision des Prozesses, den einst Titus mit dem Schwerte ent­schieden, erklären sich selbst, nach zwei Jahrtausenden, als unerlöst" und erheben den nach historischem Recht noch nicht verjährten Anspruch, in eigenem Lande, unter eigenem Recht ihr nationalstaatliches Leben zu vollenden!-

Daß ein Staat ohne Land nicht denkbar, die Gebietshoheit vielmehr eine wesntliche Eigenschaft des Staates, sein un­erläßliches Begriffsmerkmal ist, darüber sind die Gelehrten sich einig. Eine Gruppe organisatorisch in Einheit zu­sammengefaßter Menschen, selbst wenn sie ein höheres als ihr eigenes Recht nicht anerkennt und nicht anzuerkennen braucht, ist noch lange kein Staat und braucht lediglich eine Horde zu sein. Erst die Hineinziehung eines bestimmten Erdteils in die Organisation, die erblicke Fixierung des organschaftlichen Willens bringt den Staat zur Entstehung.

Die Nation hingegen ist, wie bereits ausgeführt, keine Organisationseinheit, sondern lediglich eine historische Ein­heit. Sie ist überhaupt kein Rechtsbegriff, sondern ein rein historischer Begriff. Historischen Begriffen fehlt aber die Starrheit und Präzision der Rechtsbegriffe, weil sie der bunten Fülle des Kulturvölkerlebens entnommen sind, der sie nur durch ihre Elastizität gerecht werden können.

Man hat der zionistischen Theorie entgegengehalten, daß eine unseßhafte Nation nicht denkbar sei, und daß daher die Judeneinheit als Nation nicht gedeutet werden könne. Man

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