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Judenproblem / von I. Breuer
Seite
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Von den Westjuden allein wäre aber schwerlich eine das Gesamtjudentum ergreifende Bewegung ausgegangen, hätte der Zionismus nicht mit geradezu grandioser Kühnheit aus seiner Theorie bisher unerhörte Konsequenzen gezogen, die

auch im Osten wie der Blitz einschlagen mußten.-

Der Heros des Zionismus, Theodor Herzl, in der Blüte seiner Mannesjahre ganz in westliche Kultur ge­taucht und ohne jeden Bewußtseinszusammenhang mit der historischen Kultur des Judentums, befand sich in einem schon weit vorgeschrittenen Assimilationsprozeß, als die anti­semitische Strömung zu Ende des vorigen Jahrhunderts seine adlige, jedes Kulturschmarotzertum von sich weisende Seele zur Selbsteinkehr und zu strengem, unbestechlichem Selbstgericht zwang. Hunderte vor ihm und Hunderte nach ihm haben sich in der nämlichen Lage befunden und haben durch Selbstbetäubung, verbunden mit ängstlicher Scheu, den Dingen auf den Grund zu gehen und der restlos durchdachten Wirklichkeit für ihr Leben unmittelbare Folge zu geben, sich dennoch die Möglichkeit gerettet, mit ihrer Persönlichkeit weiterhin auf einem Erdreich zu verbleiben, in dem sie Wurzeln nicht fassen konnten. Turmhoch steht als Mensch Theodor Herzl über ihnen allen. Sein,Selbstgericht führt ihn zur Einsicht, daß die Nationen der Erde ihn als Voll­bürger nicht erachten, im besten Falle ihn dulden. Die durch­sichtige Klarheit seines Wesens vermag über diese Einsicht nicht mehr hinwegzukommen. In der Atmosphäre der Dul­dung müßte seine Mannheit ersticken. Mit starker Hand zer­bricht er, ohne Wehleidigkeit, den glänzenden Bau seines Lebens, weil er auf fremdem Boden gebaut. Er beginnt ganz von vorn. Seine Seele schweift über die Länder und sucht ihre Heimat. Mit Staaten sieht sie dis Länder bedeckt und kann die Heimat nicht finden. Da kehrt sie ganz in sich selbst zurück und horcht ihren eigenen Lauten. Zuvor aber trägt sie all den Schutt und all das Geröll ab, womit die Fron der Fremde sie belastet. Und als sie so sich selbst befreit hat, beginnt sie plötzlich zu klingen. Töne voll Süße. Töne voll Kraft, Töne des Sieges und Töne grenzenloser Trauer. Entzückt lauscht er hin und fühlt sich von den Weisen, viel­leicht zum ersten Male in seinem ganzen Leben, hingerissen bis zur völligen Selbstauslösung. Aber siehe, nur die Weisen