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Judenproblem / von I. Breuer
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keit in der Religion. Es ist die Geschichte einer Re- ligionsnation. -

Aber, so wendet man vielleicht ein, dies mag wohl alles so geworden sein, braucht doch aber deshalb nicht immer so zu bleiben! Es war vielleicht nur eine Schwäche, eine bedauernswerte Einseitigkeit der jüdischen Nation, durch das Galuthelend ins Maßlose vergrößert, der wir künftig ent­gegentreten, die wir im neuen Judenstaat mit Erfolg be­kämpfen werden! Wenn schon im Galuth, trotz ihrer jammervollen religiösen Einseitigkeit, die jüdische Nation Männer wie Spinoza und Marx hat Hervorbringen können: welch ungeheure Hoffnungen dürfen wir erst an die Zukunft knüpfen, die diese Männer nicht erst zwingt, die Schranken ihrer Nation zu durchbrechen, sondern ihrem Genie aus nationalem Erdreich fort und fort Wachstum und Blüte zu­führt?

Wer also spricht, hat den Boden geschichtlicher Erfahrung verlassen und sich ins Gebiet der Spekulation begeben. Mit Zukunftsmöglichkeiten lassen sich politische Ansprüche nicht begründen. Hat die jüdische Nation der Gegenwart keine des Schutzes und der Förderung würdige nationale Kultur, so vermag auch die Berufung auf das Nationali­tätenprinzip den zionistischen Ambitionen keine Stütze zu gewähren. Das Nationalitätenprinzip geht nicht auf die Gründung von Nationen aus,.sondern es will den vorhandenen Nationen die ungehemmte Fortentwicklung ihrer in der Vergangenheit wurzelnden Kultur ge­währleisten. Gesteht der Zionismus zu, daß das Judentum bis jetzt eine nationale Kultur nicht entwickelt oder seit Ver­nichtung seines Staates sie allmählich eingebüßt hat. und das tut der Zionismus, indem er von der jüdischen Religion sich trennt und auf die Kultur der Zukunft verweist, so hat das Judentum der Gegenwart keine nationale Existenz­berechtigung mehr und das Nationalitätenprinzip findet nichts Schützenswertes noch des Schutzes Bedürftiges vor. Die Zurücksetzung und Verfolgung, die den Juden allent­halben widerfährt, bildet erst recht keinen Grund, den Politischen Aspirationen des Zionismus Folge zu geben. Es ist nicht nötig, deshalb allein einen neuen Staat zu stiften. Die vorhandenen Staaten sind anzuhalten, sich den

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