religiöse Assimilation. Die Verfechter der zionistischen Theorie taten hinsichtlich der Religion ein gleiches, ähnelten aber zudem auch das Wesen der jüdischen Nation dem Wesen der übrigen Nationen an: sie begingen also nicht nur religiöse, sondern auch noch nationale Assimilation.-
Ich behaupte: Nur eine Nation kann Trägerin der jüdischen Religion sein, denn diese Religion — ist keine Religion. Die Juden, die bei Untergang ihres Staates ihre Religion nicht aufgeben wollten, mußten Nation bleiben, um die Religion zu retten. Denn diese Religion — ist keine Religion. Solange die Juden ihre Religion bewahrten und solange und soweit sie sie noch heute bewahren, sind und waren sie Nation. Denn diese Religion — ist keine Religion.-
Über das Wesen der jüdischen Religion kann weder die christliche noch die im vorigen Jahrhundert aufgekommene jüdische „Theologie" zutreffende Auskunft geben, solange sie sich auf tote Schriften beschränken, statt das religiöse Leben der Juden da, wo es noch frisch pulsiert, in Augenschein zu nehmen. Erst an der Hand dieses Lebens werden auch die Schriften lebendig und geben klaren und deutlichen Aufschluß. Hätte die Wissenschaft vom Menschen nie den lebenden Menschen berücksichtigt: nie könnte sie durch Sezierung seiner Leiche sein Wesen erfassen. Nur weil sie die Lebensfunktionen des Menschen kennt, vermag sie aus feiner Leiche Erkenntnis zu schöpfen.-
Alljährlich kehrt im Leben der Juden eine Nacht wieder, die dazu auserkoren ist, daß der jüdische Vater seinen Kindern verständlich macht, was es bedeutet, Jude zu sein. Durch diese Nacht weht der heiße Atem einer lebenstrotzenden Nation voll unverwüstlicher Kraft, tönt die wehe Klage einer leiderprobten, feindeumstellten, klingt der stolze Triumphsang einer nie besiegten, Staaten überdauernden, jubelt das Danklied einer ihrem Gotte nahen, im Unglück glücklichen, ihrer Heilszukunft gewissen Nation: das ist die Passahnacht, die Nationalnacht des Judentumse . Wer dies Nacht kennt, hat das Wesen des Judentums begriffen.
Um den Tisch versammelt der Vater seine Kinder. Auf dem Tische aber steht das ungesäuerte Brot, das einst die Vorfahren beim Auszug aus Ägypten gegessen, weil die
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