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mit Mienen und Geberden einen ernſtlichen Verweis, Samuel aber lächelte getroſt darüber und umfing mich mit ſeinem weißen Talisgewande, das ihm beim Beten über Kopf, Schulter und Rücken in langen Falten herabhing. Daran hatte ich aber auch meine Herzensluſt. Und erſt wenn es im Chore anging! Wie gerne weideten ſich meine Augen an dem wirren Durcheinander der hitzig betenden Chaſſidim. Die einen liefen mit klapperndem Munde dahin und dorthin, die andern klatſchten mit feuchten Händen und warfen ſich eifrig nach rückwärts und voran. Dieſe bäumten ſich in die Höhe auf den Zehen und ballten die Fäuſte mit erhobenen Armen über den allgewaltigen, furchtbaren Gott; jene ſaßen eingewickelt im Talis gewande mit feſtgeſchlofſenen Augen und ſchaukelten ſich derart, daß die Wand ihren Rücken zurückſtieß. Einige ſpitzten den Mund und zogen ihn bald in die Breite, ſenkten und hoben die Augen mit niemals ruhendem Haupte. Hier ſtand einer mit zwar ruhigem Körper, aber in ewiger Verneinung bewegte er den Kopf. Das alles ſah ich mit großem Ergötzen; die Eigenart jeglicher Geſtalt feſſelte mächtig die Sinne meines Gemüthes. Hingegen Samuel, der im militäriſchen Dienſte eine beſſere Haltung gelernt, deſſen ganzer Leib zu ſteif war für dieſe ſonderlichen Bewegungen, ſaß oder ſtand beim Beten, ſchaukelte ſich zwar, aber mit jener Gelaſſenheit, wie ſie ein langes, ſchweres Pendel einer dreifach gewichtigen Uhr beſitzt, ſo langſam bewegte er ſich hin und her. Daheim ahmte ich mit meinen Geſpielen Alles, was ich geſehen, auf das Eifrigſte nach. Und ſo lebte und leibte denn mein ganzes Weſen in der bilderreichen Welt der Orthodoxie, meine Sinne berauſchten ſich in dieſem ſchäumend⸗brauſenden Leben der himmelſtürmenden Chaſſidim; aus allen ihren Handlungen und ſeltſam gearteten Sitten zog mein Gemüth den Stoff zu eigener Nahrung und Bildung. Alſo umfing meine