Druckschrift 
Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
Entstehung
Einzelbild herunterladen

XI.

So nahte er denn endlich heran, der Tag des Faſtens und immerwährenden Betens, wo auchdie Fiſche im ſalzigen Meere zittern da der furchtbare Gott nicht mehr Tugenden oder Sünden verzeichnet, ſondern das Buch von Leben und Tod mit ehernem Siegel unwiderruflich verſiegelt. Drei Tage der Reue und Buße waren noch bis dahin. Schauer der An­dacht lag auf allen Geſichtern und ſteigerte ſich bis zur zer­knirſchenden Demuth. Für jegliches Bethaus wurde friſches Heu gekauft, um es als Teppich auf den Boden, wie auch auf die Stiegen und Bänke zu legen, denn auf bloßen Brettern zu ſtehen, wäre Entweihung des göttlichen Tages. Auch in den Häuſern bereiteten fromm die Frauen wächſerne Kerzen und ſteckten ſie dann in ſandgefüllte Töpfe, denn metallene Leuchter darf man am heiligſten der Abende nicht benutzen. Samuel ſaß und verfertigte in einem Zuge, zarte, weiße Pan­toffel, in denen der Leſchniower Zaddik den langen Tag über vorbeten ſollte, und freute ſich ſehr auf die Darreichung feines Geſchenkes. Meine Mutter ließ täglich an die Grabſtätte ihres verſtorbenen Gatten ſich führen, auch an die Gräber ihrer Söhne und Töchter und herzzerreißend weinte ſie betend für mich. Ich aber ſaß indeß getroſt zwiſchen den Jünglingen vor Ben Zion Barat. Wir ſtärkten und klärten an ſeinen heil­ſamen Lehren Gefühl und Verſtand.