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Endlich kam der Erep⸗Jom⸗Kipur(der vorangehende Tag) heran und hurtig und andächtig rüſteten wir uns zur Abreiſe. Nun aber wollte Gütele mit reiſen und zeigte ſich zudringlich dem vielbeſchäftigten Samuel. Samuel jedoch gab ihr einen derben Verweis und ſprach:„Läßt man die Katze auf die Bank, fo ſpringt fie auch auf den Tiſch. Weil ich euch vor einigen Tagen erlaubt mit ihm zu diskuriren, wollt Ihr auch ſchon in Allem mir Geſellſchaft leiſten; bleibt ihr daheim bei den Weibern und macht euch nicht viel Schaffens um ihn.“ Gütele gab ſich zufrieden, wünſchte ihm und mir eine„gute Verſieglung“ ſchaſſime tauwu), geleitete uns bis zur„Schranke“ hinaus und ſo fuhren wir denn in Galopp zum geiſterbeſchwörenden Rabbi nach Leſchniow.—
Nachdem wir bereits zwei Meilen zurückgelegt hatten, gelangten wir auf die geräumigen Plätze des Städtchens und ich ſah mit Neugier auf die mich umgebende Welt. Wieder Chaſſidim, nur dürrer und abgehärmter, wilder und mißtrauiſcher als zu Brody. Der Tag gab Allen ein gemeinſames Gepräge. Es rannten die Weiber dahin und dorthin, trugen wächſerne Kerzen und wünſchten einander„gute Verſieglung“. Schläfegelockte Männer plätſcherten mit den Pantoffeln dahin, ſahen gebückten Hauptes zur Erde und wichen rechts entgegenkommenden Mädchen aus. Hagere Jünglinge liefen einzeln, mit ſich ſelbſt beſchäftigt, in die gemeinſame Synagoge und ſchluchzten ſchon vor dem Eintritte, denn ſobald ſie eingetreten, werfen ſie ſich auf das Heu und der geißelſchwingende „Schammes“(Wecker der Betendem) verſetzt ihnen vierzig Schläge auf den Rücken, während der Liegende mit der Rechten heftiger an die Bruſt ſich ſchlägt.„Wahrlich“ dachte ich bei mir,„wahnſinnig, ſeid Ihr alle, alle von aberwitziger Schwärmerei befangen. Und vor Kurzem erſt war ich Euresgleichen — faſt möchte ich erröthen! Wie iſt mir geſchehen? Wie kam