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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
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ſo aber ſetzte ſich mir im Gemüth das troſtloſe Bewußtſein feſt, daß ichunſtät und flüchtig ſei, und ich beneidete jeden, der einer beſtimmten Familie angehört und deſſen man ſich vor den Augen der Welt nicht ſchämt.

Gott aber, der mich früher erkannte, als ich ihn, hatte als oberſter Leiter meiner Erziehung es ſo gefügt, daß gerade um dieſe Zeit Ben Zion Barat den ganzen Kreislauf der be­wegten Natur ſeinen Jüngern erſchloſſen, wie alles beſtimmte Ge­ſetze befolgt und in gehöriger Ordnung ſeine Bahn um eine Sonne geht. Je mehr ich die ſtete Flucht meines Lebens und das Chaos meiner frühern Denkweiſe über Himmel und Erde erkannte, deſto mehr begeiſterte mich das einfache Wort Ordnung, deſto inniger liebte ich die geregelte Schöpfung und ſtellte mich raſch mitten in ſie hinein.

Dieweil ich mich ſo umwoben, begränzt und wie ein­gefaßt vom Univerſum erblickte, ſtaunte ich darüber tagelang, und ich ſprach zu mir ſelbſt:Wände bilden nicht des Menſchen Wohnung; Zirkel und Kreiſe ſehe ich von Fami­lien und Gemeinden, mich ſetzte die Geburt dazwiſchen und ich gehöre nirgends hinein. Soll ich darüber Thränen ver­gießen, weinen, daß ich heimatlos bin? Steh ich doch auf der Erde und die Erde hat Bahn, Recht, Geſetz, Ziel und Zweck. Sie hat zwar davon kein Bewußtſein, ich aber will ſtatt ihrer empfinden, mich erfreuen im geſelligen Reigen der Sterne­geſchwiſter, dann habe ich Heimat und Recht und irre nicht herum.

Alſo fühlte ich mich einverleibt dem geordneten All und kleinlich erſchien mir die Troſtloſigkeit, daß die Menſchen mich es immer empfinden laſſen, daß ich ein Fremdling an ihrem Tiſche ſei. Dieſer Gedanke, oder vielmehr dieſes dunkle Selbſtgefühl das Glied einer höhern Welt zu ſein, machte mich über alle Maßen glücklich. Was thut aber der Menſch, wenn er ſich glücklich fühlt? Er ſucht