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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
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beſtach.Wer biſt du? rief ich in meinem Gemüthe, das Haupt unwillkürlich nach den lichten Kronen der Bäume gekehrt.Das muß Gott ſein, dachte ich mir,Gott , der mit keinem Sinn vernehmbar, weder mit dem Verſtande, noch mit der Einbildungskraft, noch mit witzreichem Scharfſinn, ſondern ganz allein von mir erkennbar, von meiner Seele, die man auch weder mit dem Verſtande, noch mit der Ein­bildungskraft, noch mit dem Scharfſinn als ein Bild, oder als einen Begriff feſthalten kann. Und ſo wahr ich mich ohne beſtimmte Anſchauung empfinden kann, ſo wahr empfinde ich auch ihn, und ſo wahr ich keine Ehrfurcht vor mir ſelbſt empfinden kann, ſo wahr iſt Er über mir und ich unter ihm. Hier ſank ich auf das Knie und rief mit begeiſterter Stimme:;

Ich bete dich an!

Raſch erhob ich mich wieder und die Kräfte meines Herzens ſchloſſen den Bund zu Einem Gefühle: Gott über alles zu lieben und unter den Menſchen ſeiner zu gedenken, nicht allein in Gedanken, ſondern auch mit Worten und Handlungen.

Hierauf kehrte ich wieder heim und gewahrte, als ich mitten unter den Hausleuten war, daß mein Begehrungsver­mögen unendlich lauter und rein, d. h. gottgefällig geworden iſt.

Nun begriff ich ſchon Etwas von meinem künftigen Beruf, eigentlich von meinem künftigen Werth; allein mir ſchwebte noch immer nichts Beſtimmtes(im Sinne der Menſchen) vor, wiewohl das ſehr nothwendig ũiſt, denn der Menſch iſt ein endliches Weſen, nicht ſeinem Denken, ſondern ſeinen Hand­lungen nach, in deren Grenzen es eben ſeinen Geiſt offenbaren kann. Dieſer Mangel war auch die Urſache jener lebhaften Unruhe, die mich nirgends feſthielt und von den Menſchen leider ſo mißverſtanden wurde. Daher wünſchte ich auch nichts ſo