Heft 
(1955) 1
Seite
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rotbackigem Apfel in der Hand. Das war auf dem Marktplatzein Stampfen und Trippeln und Gleiten von Füßen aus Stein und Holz und Messing und Ton! Sie zogen gemeinsam vor das Haus von Wilhelm Ratig, und der Roland klopfte mit seinem langen Schwert dort oben ans Fenster. Dem herausschauenden alten Herrn erzählte er mit bewegten Worten, wie man die schönen Tore der Stadt zerstört habe, die alten Stadtmauern abbrach und wie man vieles, was einst mit Fleiß und Mühe, mit Lust und Liebe geschaffen wurde, in Unverständnis vernichtete. Er bat um Hilfe, daß das letzte unersetzliche Erbe der Väter nicht auch zum Gerümpel geworfen werde. Das freundliche Lächeln im Antlitz des Zuhörenden zeigte, daß die geschichtlichen Schätze unserer Stadt nun einen Hüter und Heger gefunden hatten. Die Worte Goethes:Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt! galten wieder.

Als Perleberg 1939 seinen siebenhundertsten Stadtgeburtstag feierte, da war der älteste Bürger der Stadt natürlich auch dabei. Sein Name gab dem Festspiel den Titel, und dieRufe des Roland ließen die bewegte Geschichte Ferlebergs mit ihren Höhen und Tiefen lebendig werden. Am Festsonntag aber, dem Glanzpunkt der Feierlichkeiten, zog er dann an der Spitze des historischen Festzuges durch die festlich geschmückten und von Tausenden von Heimatfreunden umsäumten Straßen der alten Hauptstadt der Prignitz.

Der zweite Weltkrieg, der unser deutsches Vaterland zerbrach, rüttelte auch an den Grundfesten unseres Roland. Ein schwerer Panzer hat ihn wohl gedrückt: die Klammern im Sockel waren zerrissen, die ganze Figur hatte sich gedreht und war aus dem Lot geraten. Wieder war ihm auch eine Kugel ins Gesicht geschlagen. Der Nöte und Sorgen nach dem Kriege waren viele; so dachte man nicht sonderlich an die Beschwerden des alten Herrn. Auch von seinem 400. Geburtstage nahm man nicht viel Notiz. Bis dann im Zuge der allmählichen Gesundung und des Wiederaufbaues auch für den Roland das Interesse wieder lebhafter wurde. Die Interzonenstraße war gekommen und mit ihr der ununterbrochene Verkehr der schwersten Lastzüge, die unmittelbar an seinem Rücken vorbeidonnerten. Eine stete Gefahrenquelle war das für das sowieso schon aus dem Gleichgewicht geratene Wahr­zeichen der Stadt. Dies alles drängte zur Tat, zumal dem 400jährigen Him u , wie man das bei näherer Untersuchung feststellte und was Lei SK.nem Alter auch weiter nicht verwunderlich war, doch schon recht bedenklich der Kopf wackelte. Sogar die Ersatznase zeigte Abtrennungstendenzen und drohte, sich wieder selbständig zu machen.

Die Stadtverwaltung und die Beauftragten der staatlichen Denkmalspflege gingen mit aller Behutsamkeit und Sorgfalt zu Werke. Als Gutachter wurde