Heft 
(1955) 2
Seite
36
Einzelbild herunterladen

Maizauber im Moor

Wenn Ende Mai das blaue Wunder der Kuhschellenblüte auf den sonnigen Hügeln der Weinberge veri auscht, hebt in den einsamen Mooren der weiten Kiefernwälder südlich Perleberg ein anderes an: der weiße Blütenzauber der Porstbüsche, der dann im Juni sich zu voller Pracht entfaltet.

Der Sumpf-Porst (Ledum palustre), auch Post oder Porsch benannt, hat nichts zu tun mit einem anderen Strauch, der im Volksmunde den gleichen Namen trägt und durch Hermann Löns, dessen Lieblingspflanze er war, weithin bekannt geworden ist, mit dem Gagelstrauch (Myrica gale). Nur darin stimmen beide Sträucher überein, daß sie echte Moorpflanzen sind und auf deutschem Boden die einzige Art ihrer Gattungen sind, also keine Geschwister haben wie etwa die Kuhschellen. Die nächsten Verwandten im Pflanzenreich sind für den Gagel die Weiden, für den Sumpfporst die Alpenrosen, die wir zwar nicht als heimische Wildpflanzen, aber in vielen gärtnerisch gezüchteten Abarten, den Rhododendren, als Ziersträucher kennen. Dieser Verwandtschaft wegen wird der Porst wohl auch als Nor­dische Alpenrose bezeichnet. Vieles hat der Porst mit den Alpenrosen die übrigens keine Rosenarten sind gemeinsam. Beide sind meterhohe Sträucher, die schattige Standorte lieben; ihre immergrünen Blätter sind lederartig, am Rande umgerollt und auf der Unterseite rostfarbig; ihre Blütenstände sind doldig. Was den Porst von den rot blühenden Alpenrosen unterscheidet, sind die sehr schmalen Blätter, die kleineren aber zahl­reicheren Blüten und deren weiße Farbe.

Während der Gagel eine an das milde feuchte Seeklima gebundene atlan­tische Pflanze ist, ist der Porst eine nordische Pflanze, deren Vorkommen vom hohen Norden Europas und Sibiriens bis an die Elbe und darüber hinaus reicht und hier seine Südwestgrenze hat. Im großen und ganzen schließen die Verbreitungsgebiete beider Pflanzen einander aus. In unserer Prignitz kommt der Gagel nicht mehr vor, wohl aber der Porst an be­stimmten Stellen. Es ist möglich, daß er zu jenen heute seltenen Pflanzen gehört, die hier in ferner Vergangenheit einmal allgemein verbreitet waren. Als am Ende der Eiszeit vor 20 000 Jahren zunächst kälteliebende Pflanzen die vom Eise erlöste Landschaft besiedelten, war er auch dabei. Als das Klima dann wärmer wurde, hat er sich als ein Überbleibsel dieser nor­dischen Pflanzenwelt an bevorzugten Stellen erhalten. Er findet solche in den sogenannten Hochmooren. Es läßt sich hier nicht in wenigen Worten dartun, was die Eigentümlichkeit eines Hochmoors ausmacht und warum es zeit­weise Züge nordischen Klimas trägt. Im ostelbischen Deutschland bildeten sich Hochmoore da, wo ehemalige Seen oder Tümpel mit nährstoffarmem Wasser durch Pflanzenwuchs verlandeten. Sie entstanden daher meist in Senken der unfruchtbaren sandigen Talböden der großen Urstromtäler der Eiszeit, deren eines, das breite Elbe-Urstromtal, sich bis an den Südrand der Stadt Perleberg erstreckte. Da diese Talsandflächen heute aufgeforstet

36