Heft 
(1955) 2
Seite
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Der letzte Ritter

der Cumlosener Burg

Es war im 14. Jahrhundert. Die Angaben der Chronisten gehen hier aus­einander. Schwer waren die Zeiten für den gepanzerten Ritter. Das Kriegshandwerk lag am Boden. Die Dörfer* waren verwüstet und zum Teil gänzlich verschwunden. Weitere Ortschaften und einzelne Gehöfte wurden ein Opfer von Raub und Brand. Von mehreren Schlössern wurden unausgesetzt mitten im Frieden Überfälle ausgeführt. Der eisengepanzerte Ritter, der nur im blutigen Waffenhandwerk seinen Broterwerb sah, scheute nicht vor dem erbärmlichsten Überfall. Die Burgen und Schlösser waren Schlupfwinkel mehrerer Ritter, die sich zusammentaten, um von hier aus die Überfälle und Plünderungen auszuführen. Auch der Burgherr unseres Ortes war nicht besser als seine Nachbarn. Er huldigte dem Grund­satz:. . . und wer im Sattel sitzt, baut dem Gesetze Trutz. Jedoch der Lübecker Landfrieden setzte dem Unwesen der Raubritter ein Ende. Unsere Burg fiel.

Es war an einem sonnigen Sommertag. Auf dem See hinter der Burg wogte im leichten Wind das Schilfrohr. Über dem See kreiste ein Fisch­adler. Am Rande der Burg, der Elbe zu, standen kräftige Pappeln. Auf den Elbwiesen blühten, einem riesigen farbenprächtigen Teppich gleich, Mar­geriten, Kuckuckslichtnelken und Hahnenfußgewächse. Von fern ertönte ein Trompetensignal. Eine Heerschar nahte. Herzog von Mecklenburg zog mit Mauerbrechern gegen die feste Burg.

Der Cumlosener Burgherr, selbst mutig und tapfer und auch von dem Mut seiner Knechte überzeugt, schaut von der Mauer herunter. Hart dröhnen die Mauerbrecher. Die Verluste steigen. Pechfackeln zischen über die Mauer. Ein Flügel hat Feuer gefangen. Die Mauer bröckelt, eine Bresche ist geschlagen. Ein schwirrender Bolzen nach dem andern saust

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