Heft 
(1955) 2
Seite
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liehen Können zeugen. Neben mehr als hundert verschiedenen Druck­modeln und sehr schönen Blaudrucken befindet sich im Perleberger Heimat­museum eine handgedruckte Altardecke. Ihre Inschrift besagt, daß sie Im Jahre 1673 von einem M. E. V. B. für die Burghagener Dorfkirche gestiftet wurde. Die Decke ist 170X233 cm groß, aus weißem Leinen gefertigt und mittels 11 Model verschiedenster Größe und Ornamentik schwarz ge­druckt. Die Art der Zierformen läßt annehmen, daß ihr Ursprung wohl beim bäuerlichen Handwerk zu suchen ist, da die meisten Motive aus dem Formenschatz der Volkskunst kommen. Die Schmuckgestaltung der Decke bot eine reiche Gelegenheit zum vielfältigen Gestalten und zeugt somit von einem angeborenen Sinn für Schönheit und von einem Können, daß aus reinem Antrieb und Freude am Schaffen gesteigertes Können ist. Die Zierformen sind nicht nur als eigenwillige Ausdrucksformen zu be­trachten, auch das Wissen um die tiefere Bedeutung der Schmuckwirkung wird zur Gestaltung beigetragen haben. Die strenge Geometrisierung, die sonst bei den Formen der Volkskunst zu finden ist, wurde abgelöst durch eine etwas beschwingtere Form, jedoch bleibt bei aller Auflösung im wesentlichen die Symmetrie gewahrt. Vielleicht ist der besondere Rhythmus der Formen auf den Einfluß des Barocks zurückzuführen. Das Hauptmotiv, das sich oft wiederholt, ist ein Blumenornament mit vier verschiedenen Blütenformen. Es wurde also für ein Ornament mit zwei Modeln gedruckt, dem Grundmodel mit leerer Hauptblütenfläche und dem Blütenmodel. Letzteres zeigt abwechselnd einen stehenden Vogel in der Blütenform, eine Sternblume, die Blütenform einer Rose und einen nach rückwärts sehen­den Vogel im Blüteninneren. Eine besondere Lebendigkeit und Rhythmik entsteht durch diesen Wechsel. Weiterhin finden wir ein kräftiges Model, einen üppigen Blumendreisproß mit starker dynamischer Ausdruckskraft. Er steht an einer kleinen gedruckten Blumenwiese, die sich in der Mitte der Decke befindet. Am Rande sind verschiedene Borten mit Tier- und Blumenformen aller Art gedruckt. Welche Fülle an Ideen und Formen sehen wir hier an dieser einen Decke, wieviel Anregung für unser heutiges Arbeiten liegt hier verborgen. Doch hüten wir uns davor, es gedankenlos zu kopieren, denn dieses bäuerliche Handwerksgut soll nur Anregung sein für unser eigenes Schaffen und nur so kann es unsere künstlerische Arbeit bereichern.

Für uns Prignitzer ist es von besonderem Interesse, daß in Bad Wilsnack noch ein letzter Sproß einer solchen alten Prignitzer Handwerkerfamilie lebt. Es ist der Färber und Handdrucker Henning. Ein Besuch bei ihm zeigte uns seine alte Werkstatt, die noch vollständig eingerichtet ist, und in der sich auch eine große Anzahl der schönsten Druckplatten (Model)

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