denen, der von einem silbernen und schließlich von einem kupfernen umhüllt gewesen sein sollte. So erzählten die Bauern im Dorfe. Doch Günter und seine Gefährten wußten, daß das nicht ganz stimmte. Die dreifache Hülle hatte man wohl gefunden, aber sie bestand nicht aus den drei kostbaren Metallen, wie man lange Zeiten hindurch an den Herdfeuern und in den Spinnstuben gemunkelt und geraunt hatte. Die Asche des Germanenfürsten fand man in einer bronzenen Urne, und die stand in einer aus schweren Steinen gefügten Grabkammer, über der sich dann der hoch- aufgeschüttete Totenhügel wölbte.
In den Kronen der Eidien, Birken und Kiefern flüsterte ein leiser Windhauch, und von der Feldseite her war das Wispern des reifenden Korns deutlich zu vernehmen. So still war die Sommernacht, eine Nacht, wie geschaffen zum Träumen und Sinnen. War hier auf den Äckern der heutigen Produktionsgenossenschaft einst das Korn der Markgenossen gereift? Langobarden, Semnonen und Sueben hatten hier gesessen und waren weitergewandert. Wendische Völker waren ihnen von Osten her gefolgt. Von einer gewaltigen Völkerwanderung berichteten die Geschichtsschreiber, doch den Namen des Toten im Seddiner Königsgrab, der 800 Jahre früher gelebt hatte, wußten sie nicht zu nennen. Nur so viel kann man vermuten, daß er noch zu den Fürsten und Königen gehörte, die sich das Volk aus den Reihen seiner Besten wählte und nicht zu jenen von Gottes und des Goldes Gnaden oder von Gnaden des Papstes und der Fugger, wie sie in späterer Zeit zu finden waren.
Noch immer sann der Junge in der Zeltöffnung den alten Mären und Sagen nach und sandte seine Gedanken zurück in die Tage der großen Wanderungen. Er zog mit den Kimbern und Teutonen die Oder hinauf und bis nach Frankreich und Italien, er zog mit Goten und Vandalen gen Süden, und sein inneres Auge schaute die hölzerne Halle des Hunnenköinigs Etzel, es sah in Hägens Faust die Klinge des Balmung blitzen über dem Haupt des Kindes von Etzel und Krimhild und — ein Schrei drang an sein Ohr, daß er auffuhr aus seinen Träumen, ein Schrei, wie er ihn gräßlicher noch nie vernommen hatte.
Steil aufgerichtet lauschte Günter mit angehaltenem Atem in die Stille der Nacht hinaus. Doch nichts war zu hören als das Wehen des Windes in den Bäumen. Hatte er auch diesen Schrei nur geträumt? Noch immer lauschte er, und seine Hand tastete nach dem Haselstecken, der ihm im ersten Schreck entfallen war.
Und wieder fuhr er zusammen, wieder gellte der Schrei durch die Nacht, ein Schrei, wie ihn ein Mensch in höchstem Entsetzen ausstoßen mag. Drüben vom Kiefernwalde her war er gekommen.
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