hohen Kronen der alten Kiefern. Es war der Aufruhr in der Natur, der einst unsere Vorfahren zum Glauben brachte, daß in solchen Nächten Wodan mit seinen Wölfen und Kolkraben durch die Lüfte brause.
Peter Pagels war in der Dunkelheit dieses Abends mit seinem etwas klapprigen Gefährt auf dem Heimweg. In den Dörfern ringsum war Peter Pagels bekannt. Die Erwachsenen meinten zwar, Peter habe einen leichten Dachschaden, uns Kindern jedoch war „Unkel Pagels“ der Inbegriff aller Glückseligkeit. Er war Lumpenhändler. Wenn er mit seinem Wagen die Dorfstraße entlang rumpelte, dann entlockte er seiner kurzen roten Holzflöte die zauberhaftesten Töne. Uns Kindern wenigstens erklangen sie so. Sie lockten, wie weiland die Flötentöne des Rattenfängers von Hameln. „Lumpenkerl kümmt! Lumpenkerl kümmt!“ Damit krallten wir unsern Sack mit den angesammelten Lumpen, Knochen und alten Hufeisen. „Unkel Pagels“ gab uns dafür eine Zauberwelt: die langen, schwarzen Lakritzstangen, die blanken Tonkugeln fürs „Marmelspöl“ und die in ihren Mustern so farbenprächtigen großen Glastrudler dazu, die bunten „Up- bäckers“ für das Poesiealbum und dann vor allem die herrlichsten „Ruppiner Bilderbogen“! — Was steckte in diesen von „Onkel Kühn aus Neuruppin“ hergestellten buntbebilderten, oft in Versform verfaßten Geschichten für eine Fülle von spannendem Geschehen, von Dramatik und zauberhaftester Poesie! — Das alles durften wir mit glückstrahlenden Augen aus den Händen von Onkel Pagels in Empfang nehmen. Er war also für unsere damalige Kinderwelt der reinste Märchenonkel.
Nun also war Peter nach vollbrachtem Tagewerk auf dem Heimweg. Er kam von Horst und mußte auf der Heimreise auch durch die „Wolfshagener Tannen“. Der Weg war sandig, und um es seiner ebenfalls schon recht klapprigen Rosinante leichter zu machen, war Peter abgestiegen und stapfte neben dem Wagen her. Als er an den Teufelsberg kam, und als es bei dem heulenden Sturm so unheimlich in den dunklen Tannen knackte und tobte, da fielen ihm die Geschichten von dem Teufel ein, der hier in solchen Nächten sein Wesen treibt. Er schleicht dann oft mit irrlichterndem Feuerschein durch den dunklen Föhrenwald, hockt dem einsamen Wanderer auf oder sitzt wohl gar plötzlich neben dem Kutscher auf dem Wagenkasten. Einem Bauern, der dabei auf die Pferde einschlug, entriß er die Peitsche und verdrosch ihn damit. Immerhin ein guter Zug vom Teufel. Dem Peter, dem das nun alles durch den Kopf ging, wurde es recht gruselig. Er schielte hinüber zum dunklen Bergrücken und trieb seine alte Liese zur Eile an. Da geschah das Furchtbare! In demselben Augenblick, als er sein Pferdchen antippte, bekam er einen mächtigen Schlag ins Kreuz. Entsetzt sah sich Peter um. Keiner da! Doch da traf ihn schon der zweite
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