Heft 
(1955) 7
Seite
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alles zum Schmelzprozeß vollendet war, entfachte er im großen festgefügten Ofen das Feuer. Sein Lehrjunge gab die Handreichungen und bediente den Blasebalg. Das harte Metall begann unter der Glut des Ofens weich zu werden. Die bisher getrennten Teile des geschmeidigen Kupfers und die des härtenden Zinns schickten sich an. willig in der harmonischen Legie­rung der Bronze sich zu vereinen. Da wurde der Meister abgerufen. Zu einem kurzen dringlichen Gang. Er schaute noch einmal in den brodelnden Kessel und ermahnte den Jungen, ja nicht an den Zapfen zu rühren, er sei gleich zurück.

Der Junge legte, wie ihm angewiesen, behutsam und in geregelter Menge die Feuerung nach und wartete geduldig auf den Meister. Doch dann wurde er unruhig. Der Meister verzog. Soviel sah der Junge, das hatte er dem Meister bei früheren Güssen abgeguckt, daß die Glockenspeise gar war, daß sie hinaus mußte und in die Form hinein, sollte sie nicht verderben und sollte der Guß nicht mißraten. Warum kam der Meister nicht? In seiner Bedrängnis, um das wertvolle Metall zu reiten und den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen, griff er schließlich zu Schlegel und Zange und stieß den Zapfen aus.' In flüssiger, weißstrahlender Glut schoß das Metall hinein in die Rinne und in die wartende Form un ! en in der Grube. Da tat sich die Tür auf, und der Meister stand auf der Schwelle! Entgeistert und mit Zornesröte im Gesicht starrte er auf das rauchende, fließende Erz und auf den angstvoll dastehenden Jungen.Hat der mir das ganze Werk verdorben, das mein kostbarstes Meisterstück werden sollte!! - Der Jähzorn packte ihn und ließ ihn alle Besinnung vergessen. Wutentbrannt stürzte er auf den Jungen, faßte eine Schürstange und schlug sie ihm blind­lings über den Kopf. Als der Lehrbub zusammengebrochen und zuckend vor ihm lag, kehrte ihm ebenso jäh die Besinnung zurück. Was hast du getan! Er griff entsetzt nach dem leblos daliegenden Körper, er mühte sich um ihn, er horchte und rüttelte umsonst, das Leben war entflohen. Er, der ehrbare und hochangesehene Meister war zum Mörder geworden!

In seiner Verwirrnis und Bedrängnis wußte er sich keinen-anderen Rat, als daß er schließlich zitternd den entseelten Jungenkörper in einen Sack steckte, diesen noch mit Steinen beschwerte und ihn in nächtlicher Stunde in die Havel versenkte. Den Hausinsassen und der Ortsbehörde erzählte er, der Junge sei davongelaufen.

Ein paar Tage darauf löste der Glockengießer in der Grube das in der Form erkaltete Metall aus seiner Hülle. Blank und makellos stand die Glocke da, fein geschmückt mit Rankwerk, mit Spruch und mit dem Namen des Meisters. Als er sie mit seinen Flaschenzügen aus der Grube und in das Gestühl zog, da gab sie im Probegeläut einen solch vollen und reinen Ton und einen solchen Wohlklang von sich, daß er sie selbst auch nicht hätte besser gießen können. Der Junge hatte gerade zur rechten Zeit den Zapfen ausgestoßen und die Glocke vor der mißtönenden Härte des Spät-

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